Arcania: The Complete Tale
Entwickler:
Black Forest Games
Publisher:
Nordic Games
Genre:
Rollenspiele
USK Freigabe:
Freigegeben ab 12 Jahren gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
ca. 30€ €
Systeme:
PlayStation 4
Inhalt:
Einst waren deutsche PC-Rollenspiele auf der ganzen Welt für ihre – nunja – Gothicness bekannt. Doch seit Konsolen in Sachen 3D-Darstellung dem PC kaum noch etwas nachstehen, ist eine große Anzahl Spieler vom Schreibtisch auf die Couch umgezogen. Leider haben sowohl Piranha Bytes/Deep Silver mit Risen 1 bis 3 sowie Spellbound/Nordic Games mit Arcania es versäumt, entsprechend viel Zeit und Aufwand in Konsolenversionen zu investieren. Die PC-Versionen waren stets grafisch und technisch gelungen, die Konsolenfassungen lieblose Ports mit rückständiger Grafik und zahllosen (unpatchbaren) Bugs. Doch das Jahr 2015 ist das Jahr der späten Einsicht, denn während im August die PS4-Version von Risen 3: Titan Lords nachgeliefert wird, waren Black Forest Games und Nordic Games mit der Umsetzung von Arcania: The Complete Tale auf Sonys Zugpferd etwas schneller.
Meinung:
Als Arcania vor fünf Jahren auf dem PC erschien, trug es noch den Untertitel Gothic 4. Kollege Kai kreidete das dem Spiel an, denn auch wenn es ein schönes Einsteiger-RPG war, war es eben kein Gothic. Die meisten Spieler waren der gleichen Meinung, und so hat man sich das bei Nordic Games zu Herzen genommen. Arcania ist schon lange kein Gothic mehr, auch weil die Namensrechte inzwischen wohl an Piranha Bytes zurück gegangen sind. Trotzdem spielt Arcania in der gleichen Welt wie Gothic und knüpft an die Geschichte des namenlosen Helden an, der inzwischen König Rhobar III heißt und vom Wahnsinn befallen wurde.
Auch die Schafe hat's erwischt Und doch ist Arcania die Geschichte des namenlosen Hirten, der bei einem Angriff Rhobars des Dritten sein Dorf, seine Verlobte, sein Schwiegervater und seine Freunde verliert (und vermutlich auch seine Schafe, wenn es auch nicht direkt erwähnt wird oder deutlich zu sehen ist). Von nun an steht Rache auf dem Programm – und eine lange Reise quer durch die südliche Insel Argaan, denn Rhobars Paladine suchen für ihren König nach noch mehr Macht. Diese Reise ist aber vor allem sehr linear. Oft wird es dem Spieler einfach gemacht: Es gibt Entscheidungen, aber keine großen Konsequenzen. Dungeons haben am Ende Abkürzungen, die einen schnell wieder zum Questgeber bringen sollen, was aber völlig unlogisch ist (somit steht z.B. der Oberboss eines Dungeons gar nicht weit von dem Questgeber weg, der ihn tot sehen will). Die Welt ist an vielen Stellen zu leer, viele NPCs heißen einfach Bauer oder Fischer, in den Kisten ist nur vorgegebener Loot. Hier und da wurden Dinge ausprobiert, die nie wieder im Spiel auftauchen (z.B. die Wühlbock-Taktik, die ich beim Test der PS3-Version im Fazit angesprochen habe, oder der verärgerte Stalljunge.)
Endlich in schön Doch Arcania wird besser, sobald man in die Sümpfe gelangt, und das enthaltene Add-On The Fall of Setarrif bringt viel Abwechslung ins Spiel. Ja, die Atmosphäre ist stimmig, die Musik, die Synchronisation und die Geräusche sind richtig klasse. Die PC-nahe Hardware-Architektur der neuen Konsolen macht es Entwicklern nun viel leichter, PC-Spiele auf diese umzusetzen, und so ist auch die Grafik endlich schön geworden, wenn sie auch natürlich nicht mit der Optik von AAA-Produktionen wie The Witcher 3 mithalten kann. Auch sieht die Außenwelt sehr viel schöner aus als beispielsweise die Höhlen – und das erste, was man vom Spiel selbst zu sehen bekommt, ist eine Höhle. In Fall of Setarrif sehen diese jedoch auch besser aus. Auch an den Magieeffekten, dem Wasser und dem Hitzeflimmern in der Nähe von Lava erkennt man, dass einiges getan wurde. Der Regen setzt nun auch nicht mehr gleichzeitig mit dem Öffnen des Menüs, dem Besiegen bzw. Looten eines Gegners oder ähnlichen Triggern ein. Von Klippen sollte man sich weiterhin fernhalten, doch viele andere Bugs der PS3-Version sind mir nun nicht mehr begegnet.
Skills und Crafting Man kann Arcania als Krieger, Magier oder Jäger spielen. Im Add-On gibt es anfangs diese Auswahl, man startet dann mit einem entsprechend geskillten, hochleveligen Charakter. Im Hauptspiel kann man seine Skillpunkte aber gerne etwas anders verteilen. Man sollte aber darauf achten, welche Zweige einem welche Stats bringen, gerade wenn man einen Magier spielt und nur eine der drei Magieschulen (Feuer, Eis, Blitz) verwenden will – denn jede Schule hat auch nur einen Zweig. Diverse Jägerzweige bringen aber ebenfalls Status-Boni wie z.B. eine Manaerhöhung und ähnliches mit. Als Nahkämpfer und Jäger sollte man stattdessen schauen, welche Skills man zuerst haben möchte.
Insgesamt ist Arcania eher für Rollenspiel-Einsteiger geeignet, die sich von den Möglichkeiten anderer RPGs erschlagen fühlen. So kann man alles jederzeit herstellen, ohne Alchemietische, Schmieden, Kochstellen, etc. benutzen zu müssen. Dummerweise sind diese noch immer benutzbar vorhanden, so dass man einfach einer Animation zuschaut, ohne dass etwas passiert. Da hätte man inzwischen wenigstens eine Erholfunktion beim Sitzen auf Stühlen/Bänken bzw. eine Schlaffunktion bei Betten einbauen können, das ging ja sogar schon bei Zelda: Skyward Sword auf der Wii. Das kann natürlich etwas irritieren, in den Optionen kann man allerdings auch den Punkt »Rollenspiel-Aktivitäten verfügbar« abwählen.
Nummer Sicher Auch beim Schwierigkeitsgrad sollten Einsteiger aufpassen und lieber »Einfach« wählen. Und immer mal wieder speichern, denn Autosaves gibt es nicht an jeder Ecke. Und die Option »letzter Spielstand« nach dem Ableben lädt auch nicht den letzten Autosave, sondern den letzten manuell angelegten Save. Ein großes Mysterium in Arcania bleibt der Ausdauerbalken. Blockt man oder weicht man aus, nimmt er nicht ab. Um schneller zu rennen gibt es einen passenden Runenstein und somit bleiben die kunstvollen Kombinationen und das Aufladen des Schlages – beides muss erst geskillt werden – die einzigen Dinge, die den Balken sinken lassen.
Fazit:
Arcania – The Complete Tale ist kein Witcher und kein Dragon Age. Gerade die neuesten Teile dieser Reihen sind so umfangreich, grafisch beeindruckend, spielerisch erstklassig und auch erzählerisch vom Feinsten, dass es aktuelle deutsche RPG-Produktionen sehr schwer haben, obwohl es früher, zu Gothic-Zeiten, mal ganz anders aussah. Nun ist Arcania aber auch nicht mehr das neueste Spiel, dafür sieht es aber grafisch auf der PS4 endlich schick aus – im Vergleich zur damaligen PS3-Version ein Unterschied wie Tag und Nacht. Die Zeit der schlechten Konsolenports scheint also nun auch für deutsche Entwickler vorbei zu sein, dafür sind Xbox und PlayStation viel zu wichtig für den Erfolg eines Spieles.
Bleibt nur die Frage, ob das nicht alles ein wenig zu spät für Arcania ist. So kurz vor dem Release von The Witcher 3 erschienen, wäre es in den Anfangsmonaten der neuen Konsolen weitaus erfolgreicher aufgehoben gewesen. Nichtsdestoweniger bekommt man hier aber für wenig Geld ein Rollenspiel, das spielerisch zwar seine Macken hat, aber durchaus Spaß macht. Sei es wegen der Story, der Atmosphäre oder der tollen Vertonung. Man darf auch gespannt sein, ob sich Nordic Games in Zukunft weiter in das RPG-Genre vorwagen will.
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Autor der Besprechung:
Michael Hambsch
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