Deponia
Entwickler:
Daedalic Entertainment
Publisher:
EuroVideo
Genre:
Adventure
USK Freigabe:
Freigegeben ab 6 Jahren gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
28 €
Systeme:
PC
Testsystem:
AMD Athlon64X2 mit 3 GHz, Radeon HD4850 mit 512MB VRAM, 4GB RAM, Windows 7
Anforderungen:
Windows ab XP, DVD-Laufwerk, 2GB RAM (2.5GB bei Vista/7), 2.5GHz SingleCore- bzw. 2GHz Dualcore-CPU, Grafikkarte mit OpenGL2.0-Unterstützung und 512MB VRAM, DirectX9.0c
Inhalt:
Das Adventuregenre wird gerne totgesagt - meiner Meinung nach doch hauptsächlich von den Amerikanern. Gerade jetzt ist das Thema wieder im Gespräch, als LucasArts-Veteran Tim Schaefer mit seiner Firma Double Fine auf dem Crowdfunding-Portal Kickstarter im Nu eine Million Dollar von seinen Fans als Finanzierung für ein klassisches Adventure bekommen hat. Ja, in den USA mögen Point&Click-Adventures inzwischen Seltenheitswert haben (und das obwohl ein Hit wie L.A. Noire sicher auf diesem Genre aufgebaut hat), doch im alten Europa ist davon nicht viel zu spüren. Immer noch gibt es hier genügend Fans, ein – dank minimalen PC-Anforderungen - breites Publikum und zahlreiche Spieleschmieden, die sich auf das Adventure spezialisiert haben. Wie auch Daedalic Entertainment, die mit Deponia nicht mal ein halbes Jahr nach Harveys neue Augen schon das nächste Spiel raushauen.
Meinung:
Rufus ist faul, egoistisch, und verursacht nur Katastrophen. Dennoch fühlt er sich zu höherem berufen: Er will den Planeten Deponia – eine einzig Schrotthalde – endlich verlassen und nach Elysium aufbrechen. In dieser über Deponia schwebenden Welt gibt es nicht nur sauberes Wasser. Nein, dort ist einfach alles himmlisch, wie der Name schon andeutet. Also schmiedet Rufus Pläne, um dem Schrotthaufen zu entkommen – nicht, dass ihn jemand dort vermissen würde, schon gar nicht seine Exfreundin Toni, bei der Rufus immer noch wohnt, und die jetzt wohl ein ähnliches Verhältnis zum Protagonisten hat wie einst Charlie Harper zu seinem Bruder Alan: Rufus ist für sie einfach nur ein Schmarotzer.
Auf und davon So begleiten wir den aus Not erfinderischen Rufus bei seinem aktuellen Plan, sich einfach an einen Organon-Kreuzer zu hängen, der nach Elysium fährt. Wie bei allen vorherigen Versuchen steht ihm auch dieses Mal das Chaos in seinem Kopf im Weg - was uns aber nur noch mehr Vergnügen am Geschehen beschert, und schließlich ganz Adventure-typisch zum Improvisieren anleitet. Doch dieses Mal scheint es fast zu klappen, wäre da nicht die hübsche Elysianerin Goal, die auf dem Kreuzer von zwielichtigen Gestalten bedrängt wird. Rufus greift ein und rettet die Dame, zwar nicht so wie geplant und dadurch etwas unsanft, aber immerhin ohne größere Schäden anzurichten. Während die Bewohner von Rufus' Heimatdorf Kuvaq noch darüber streiten, wem die bewusstlose, vom Himmel gefallene Dame bald zu Diensten (Minenarbeit, etc.) sein darf, macht Rufus schon wieder neue Pläne: Er will Goal nach Elysium zurück bringen, um natürlich selbst dort bleiben zu können.
Never change a running system Spielerisch gibt es bei Deponia nicht viel Neues zu erwähnen. Wie schon seit einigen Jahrzehnten, bewegt man seine Spielfigur durch die Schauplätze, kombiniert und benutzt Gegenstände, und führt Unterhaltungen - hin und wieder gibt es die obligatorischen Puzzle-Minigames. Wo es aber bei Harveys neue Augen noch einige Innovationen wie das Verbote-System und den tollen Endkampf gab, so gibt es bei Deponia nur ein Inventar, das sich per Mausrad öffnen und schließen lässt – was aber eine richtig gute Idee war. Doch die Stärken von Deponia liegen – wie man es von Daedalic gewohnt ist – in der perfekten Weiterführung der Adventure-Tradition, die damals von Firmen wie Sierra und LucasArts begründet worden ist.
Zwerchfell-Attacke Und so findet man auch hier wieder abgefahrene Rätsel, die richtig Spaß machen, und vor allem einen erstklassigen Humor, der von den skurrilen Figuren und den Umständen herrührt, in denen sie sich befinden. Immer mal wieder bekommt man beiläufig etwas von Rufus' früheren Eskapaden mit, und kann diese mit den aktuellen Geschehnissen vergleichen, die auch wieder überall ein heilloses Durcheinander hinterlassen. Einfach genial, wie der Protagonist – als Dieb beschuldigt – zahllose Gegenstände aus dem Inventar verliert und ihm keine Ausrede mehr einfällt. Richtige Lacher gibt es, wenn Wörter wie Ersatzpostkatzenkasten vorkommen, und man den Telefonisten durch Burnout um seine Kopfhörer bringen muss. Da dürfen auch Anspielungen auf Monty Python (und dieses Mal schläft der Papagei wirklich nur), den Hasen Harvey und Homer Simpson (bzw. dessen Wippvogel) nicht fehlen.
Viel zu tun Wo der Umfang mir bei Harvey nicht so groß vorkam, bietet Deponia viel mehr Beschäftigung über längeren Zeitraum. Außerdem hat man stets ein Ziel vor Augen, und weiß meistens, warum man tut, was man tut. Dabei kommt die Story allerdings nur sehr langsam in Fahrt. Vieles wird angedeutet, wie z.B. das Verschwinden von Rufus' Vater, dem Gründer und ehemaligen Bürgermeister von Kuvaq. Oder dass es sich bei Deponia eventuell um unseren Planeten handeln könnte, der eben im Schrott versunken ist – was bei unserer auf Konsum basierenden Zivilisation durchaus vorstellbar wäre. Eine richtige Bedrohung für Rufus gibt es auch erst sehr spät im Spiel. Inzwischen weiß man auch, warum Deponia letztendlich so viele Fragen offen lässt: Es wird schon im September ein zweiter Teil erscheinen, im Januar 2013 dann der dritte, abschließende.
Im Schatten des Hasen Grafisch bietet Daedalic wieder erstklassiges Cartoon-Design, dem auch die Musik und die Sprecher in nichts nachstehen. Ok, der etwas klein geratene Wenzel klingt für meinen Geschmack zu sehr nach Harvey (erlaubt euch mal den Spaß und googelt nach Wenzel Harvey Sprecher), allzu oft muss man sich den Kerl aber auch wieder nicht anhören. Alles in allem wird Deponia äußerst rund präsentiert. Bugs sind während des Testens überhaupt keine aufgetreten. Die Minispiele lassen sich, wie schon gewohnt, auch überspringen, aber hey, habt ihr mal gesehen, was man bei Super Mario 3D Land bei mehrmaligem Scheitern für Items angeboten bekommt? Die Warp-Feder, die einen zum Levelende führt? Man kann, aber muss es ja nicht verwenden. Eine witzige Hilfefunktion wäre bei Deponia vielleicht aber passender gewesen.
Fazit:
Das Adventure ist überhaupt nicht tot! Aber es bewegt sich äußerst langsam, weswegen es bei manchen Leuten diesen Anschein erwecken dürfte. Im Forum von Adventure-Treff, wo lobenswerterweise auch die Deponia-Macher mitlesen und -schreiben wird auch heftig darüber diskutiert, wie sich das Adventure denn noch in Zukunft behaupten kann. Innovationen müssen her, ja, aber verschwimmen die Genres, so ist es für viele Leute gar kein Adventure mehr. Doch sei es, wie es ist, Daedalic versteht es wunderbar, die Flagge des klassischen Adventures hochzuhalten. Der internationale Erfolg, der muss und wird meiner Meinung nach auch noch kommen. Das nächste Daedalic-Adventure, Das schwarze Auge: Satinavs Ketten, wird im März mit Steam-Bindung kommen, was inzwischen nichts seltenes und meiner Meinung auch nichts verwerfliches ist. Dennoch wird das wie immer viele Leute vor den Kopf stoßen. Doch öffnet sich damit das Tor für den internationalen Markt, so kann das dem Genre auf Dauer nur Gutes bringen. Deponia 2 und 3 werden auf deutsch wie auch Teil 1 wieder völlig DRM-frei sein, international strebt man einen Steam-Vetrieb an. Ich wünsche Daedalic und auch Double Fine bei ihren Vorhaben jedenfalls viel Erfolg.
Was Deponia angeht, so kann ich es jedem Adventure-Fan nur empfehlen. Da die Story aber nur langsam in Fahrt kommt, und es für Teil 2 und 3 ohnehin noch Raum nach oben geben muss, möchte ich aber dieses Mal keinen Splashhit vergeben. Dennoch, ich freue mich sehr auf weitere Abenteuer mit Rufus und Goal, und hoffe, dass die Story am Ende das hält, was in zahlreichen Andeutungen versprochen wird.
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Autor der Besprechung:
Michael Hambsch
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