Genre:
Rollenspiele USK Freigabe:
keine Jugendfreigabe gemäß § 14 JuSchG. ca. Preis:
ab 69,99 €
Systeme:
PC, PlayStation 5, Xbox Series X/S
Inhalt:
Nach einem holprigen Start entwickelte sich Kingdom Come: Deliverence zu einem echten Überraschungs-Hit. Aufgrund dieses Erfolgs sind die Erwartungen für Kingdom Come: Deliverance II natürlich dementsprechend groß. Ob Entwickler Warhorse Studios diese erfüllen kann oder den Vorgänger sogar noch einmal toppen kann, erfährst Du in diesem Test.
Meinung:
Normalerweise fange ich meine Rezensionen stets mit der Story an. Bei Kingdom Come: Deliverance II mache ich allerdings eine Ausnahme. Hier ist nämlich nicht die Geschichte der Star (obwohl auch diese gelungen ist, wie Du etwas weiter unten erfahren wirst), sondern die Open World, in der sich alles abspielt. Um genau zu sein, sind es sogar zwei offene Spielwelten, die einen erwarten. Dabei können die Spielwelten in vielerlei Hinsicht begeistern. Zum einen wäre da natürlich deren Optik. Neben Los Santos aus GTA V gibt es wohl keine einzige Videospielwelt, die dermaßen realistisch wirkt wie dieses virtuelle Böhmen. Wenn man über die Pfade durch die kleinen Wäldchen reitet, erscheint es einem beinahe so, als ob man eine echte Zeitreise gemacht hätte, so glaubwürdig wirkt die Spielwelt auf einen. Wenn man dann in einem Dorf oder Städtchen ankommt, die exakt nachempfundene Architektur der Häuser sieht, wo jeder einzelne Stein einer Wand wie von Hand dort hingebaut wirkt, ist die Illusion des alten Böhmens wirklich perfekt. Dabei ist das noch lange nicht alles. Die Macher*innen haben nämlich nicht nur die Natur und die Architektur von damals perfekt eingefangen, sondern dem Ganzen auch noch ein glaubwürdiges Leben einverleibt. Wenn man sich die Zeit nimmt (und das sollte man auf jeden Fall) und die Bewohner einmal beobachtet, wird man schnell feststellen, dass diese nicht nur einfach dumm herumstehen. Sie gehen einem geordneten Alltag nach und verrichten nach und nach ihre Aufgaben. Dabei unterhalten sie sich und reagieren auch auf einen – eben so, wie man es im wahren Leben ebenfalls erleben würde. Alle imposanten Stellen aufzuzählen, die diese Spielwelt zu bieten hat, würde den Rahmen dieses Tests sprengen. Deswegen rate ich einfach nur jedem, das alte Böhmen selbst zu erkunden und seine Schönheit aus erster Hand zu erleben.
Den eigenen Spielstil finden Das Schöne dabei ist, dass uns das Game diese Zeit gibt. Nachdem wir uns unversehens mittellos und so gut wie talentlos in einer kleinen Siedlung wiederfinden (wie es zu dieser Situation kam, möchte ich hier nicht verraten), hetzt uns das Spiel nämlich nicht sofort durch die Story. Stattdessen sagt es uns sogar, dass wir zunächst einmal wieder an ein wenig Geld herankommen und uns ausrüsten sollen. Wie wir das machen, ist dabei ganz uns überlassen. Stehlen wir Dinge (mit der Gefahr erwischt zu werden und am Pranger zu landen) oder gehen wir ehrlicher Arbeit nach und verdienen unsere Groschen etwa als Schmied? Auch kämpfen können wir bereits sehr früh, wobei man sich das allerdings zweimal überlegen sollte. Die Schwertkämpfe sind nämlich nach wie vor sehr herausfordernd und benötigen einiges an Übung, um erfolgreich aus ihnen hinauszugehen. Dennoch stehen sie als Option natürlich zur Verfügung, sodass jeder entscheiden kann, wie er in der offenen Spielwelt vorgehen möchte.
Tempo herausnehmen Was einen in der eigentlichen Hauptstory erwartet, möchte ich hier natürlich ebenso wenig verraten. Schließlich soll auch diese jeder für sich erleben. Was ich verraten kann, ist aber, dass sie im Vergleich zum ersten Teil wesentlich mehr Wendungen aufzuweisen hat. Konnte man im ersten Teil noch gut voraussagen, was eine erwartet wird, so ist dies nun wesentlich schwerer. Was man dennoch nicht erwarten darf, sind tiefgründige Erzählstränge. Anders als etwa bei einem in Cyberpunk 2077 bleibt die Geschichte hier doch immer etwas oberflächlicher und einfacher gestrickt. Ebenso darf man hier kein Actionfeuerwerk erwarten, in dem es immerzu rund geht. Denn was unangetastet blieb, ist der etwas träge Erzählstil. Mal nimmt das Spiel durch bestimmte Missionen das Tempo heraus, viel öfter sind es aber die Dialoge, die dafür sorgen, dass man hier keinen „Geschwindigkeitsrausch“ erfährt. Gerade wenn es um politische Dinge geht, können Gespräche auch mal ein paar Minuten andauern. Dieses gemächliche Tempo ist sicherlich nicht jedermanns Geschmack, mir persönlich hat es aber sehr gut gefallen. Eben aus dem Grund, dass sich das Spiel so ebenfalls genügend Zeit nimmt, sämtliche Charaktere, seien es altbekannte oder ebenso neue, nochmals ordentlich vorzustellen. Und da auch die Geschehnisse aus dem Vorgänger immer mal wieder angesprochen werden, können so ebenfalls Kingdom Come: Deliverance-Neulinge das Spiel genießen, ohne den Vorgänger je gespielt zu haben, und das, obwohl die Story direkt an die des ersten Teils anschließt.
Keine Stereotypen Die Charaktere werden aber nicht nur alle gut in die Story eingeführt. Auch ihr Verhalten ist unfassbar gut gelungen. Anders als es zum Beispiel in GTA V der Fall ist, hat man es hier nicht mit überzeichneten Stereotypen zu tun. Vielmehr scheinen diese Figuren wirklich aus dem Leben gegriffen zu sein und bieten genauso viele Nuancen, wie man es auch aus dem Real Life kennt. Die einzigen Momente, in denen sie wie NPCs und nicht wie reale Personen wirken, sind Situationen, in denen man sich vor ihnen umzieht und plötzlich eine ganz andere Reaktion von ihnen erhält. Um ein Beispiel zu nennen: Ich stehe in ärmlichen Klamotten vor einem Händler und versuche, etwas zu kaufen. Anstatt darauf einzugehen, sagt er zu mir, dass ich wohl ohnehin kaum genug Geld habe und dass ich verschwinden solle. Ziehe ich mich nun mit wenigen Tastendrücken um (das Umziehen der Klamotten wurde im Vergleich zum ersten Teil wesentlich vereinfacht) und spreche ihn nun in einer Rüstung an, ist seine Reaktion eine ganz andere. Anstatt uns wegzuscheuchen, ist er schon beinahe untergeben und bietet uns die besten Preise an. Natürlich ist es schön, dass auch unser Auftreten einen Einfluss darauf hat, wie die Leute auf uns reagieren. Doch dass der Händler innerhalb von drei Sekunden dermaßen unterschiedlich auf uns reagiert, obwohl wir ja im Grunde genommen noch immer die gleiche Person sind und abgesehen von den Klamotten auch noch exakt gleich aussehen, wirkt dann doch etwas seltsam.
Abwechslungsreiche Nebenmissionen Was den ein oder anderen ebenfalls stören wird und auch für einige Kritik sorgen dürfte, ist, dass man nur wenig Einfluss auf den Fortgang der Hauptstory hat. Ereignisse, in denen man den Fortgang der Geschichte merklich ändert, gibt es keine. Selbst kurzfristige Veränderungen durch irgendwelche Entscheidungen gibt es nur ganz wenige. So unterscheidet sich die Story höchstens darin, für welche Partnerin man sich entschieden hat – der Ausgang der Geschichte bleibt dennoch im Prinzip immer der gleiche. Trotzdem ist kein Spieldurchlauf mit dem davor identisch. Dafür sorgen schon allein die zahlreichen Nebenmissionen, die man während des Spielens findet oder eben ebenfalls nicht findet. Denn dass man während der rund 130 Stunden, die ein Durchlauf ungefähr dauert, wirklich alle Nebenmissionen findet, ist sehr unwahrscheinlich. Und so lohnt sich trotz der gewaltigen Spielzeit eben auch nochmal ein zweiter oder gar dritter Durchlauf. Die Nebenmissionen, die man findet, sind dafür aber alle sehr abwechslungsreich und aufwändig gestaltet worden. Anders als in anderen Open-World-Spielen sind sich wiederholende Missionsabläufe hier nur die absolute Ausnahme. Hier gilt es also nicht etwa dutzende Male, irgendwelche Türme freizuschalten oder Ähnliches. Vielmehr erwarten einen hier verschiedene Aufgaben, die auch allesamt mit aufwändigen Zwischensequenzen versehen sind. Schön ist zudem, dass sie hin und wieder sogar Auswirkungen auf Hauptmissionen haben. Ein genaues Beispiel dafür möchte ich an dieser Stelle natürlich ebenfalls nicht verraten, dennoch ist es schön anzusehen, dass die Macher*innen auch den Nebenmissionen viel Herzblut geschenkt und sie nicht nur als Füllmaterial angesehen haben.
Intuitives Level-System Wie weiter oben bereits angesprochen, lässt uns das Spiel sehr viel Freiraum, wie wir es angehen möchten. Wer möchte, kann sein Talent am Schwert verbessern und so rabiater in den Kämpfen vorgehen. Man kann aber genauso gut als Dieb unterwegs sein oder seine Redegewandtheit ausbauen und so viel mit der Kunst des Überredens schaffen. Selbst das Biertrinken wird mit Trinkfestigkeit belohnt. Die Möglichkeiten sind wirklich vielfältig, was auch einen Blick auf die unterschiedlichen Attribute und Fähigkeiten verrät. Hier gibt es nämlich nicht nur ein oder zwei Dinge aufleveln, sondern gleich Dutzende. Das Schöne dabei ist, dass man sich nicht zu Anfang auf eines festlegen muss. Im Laufe des Spiels kann man nämlich verschiedene Dinge aufleveln. Ermöglicht wird dies durch ein sehr intuitives Level-System, das so gut wie jede Aktion berücksichtigt. Schleichen wir nachts herum, wird unser Schleich-Level besser. Schwingen wir oft das Schwert, werden unsere Schwertkünste besser. Durch diese simple Art des auflevels hat man Ende sogar das Problem, dass Heinrich in sämtlichen Hauptattributen (Stärke, Vitalität, Agilität, Redegewandtheit) den darauf aufbauenden Talenten so gut ist, dass das Spiel zum Ende hin schon fast zu einfach wird. Bei den Fertigkeiten und Spezialisierungen (z. B. Überleben oder Alchemie) ist das Balancing hingegen besser ausgefallen. Hier fällt das Aufleveln nämlich doch etwas schwerer. Wer allerdings genügend Quests macht, wird auch hier zum letzten Viertel hin alles auf einem ordentlichen Level haben und alles zumindest okay können.
(Noch) nicht perfekt So grandios die Spielwelt und die Immersion, die sie einem verschafft, auch ist, so kommt leider auch Kingdom Come: Deliverance II nicht ganz ohne Probleme aus. Zwar ist es nicht mit den vielen Fehlern zu vergleichen, die man noch zu Anfangszeiten des ersten Teils erlebt hat. Dennoch ist es natürlich ärgerlich, wenn Gegner plötzlich vor einem verschwinden oder man eine Mission nicht beenden kann, weil der dazugehörige NPC einfach nicht vor einem auftaucht. Solch größere Probleme kommen zum Glück nur selten. Falls man auf Bugs trifft, dann sind es meist irgendwelche Dinge wie fehlende Texturen oder dass plötzlich in einer Zwischensequenz die Sprache gewechselt wird. Das stört zwar die Immersion, ist aber eben nicht ganz so tragisch. Dennoch erwarte ich natürlich, dass diese Probleme ebenfalls behoben werden und ich denke, dass dies auch bald der Fall sein wird. Ob die Controller-Steuerung nochmals verändert wird, ist hingegen fraglich. Dabei wäre es wirklich hilfreich. Denn gerade, wenn es darum geht, etwas im Inventar oder Menü zu ändern, ist die Steuerung doch etwas fummelig. Zwar gewöhnt man sich mit der Zeit daran, dennoch wäre eine Optimierung hier für viele sicherlich wünschenswert.
Fazit:
Nach Kingdom Come: Deliverance II steht es nun wirklich außer Frage: Warhorse Studios gehört zu den Top-Rollenspiel-Entwicklern. Was sie mit der Fortsetzung ihres Überraschungs-Hits auf den Markt gebracht haben, ist einfach fantastisch. Zwar ist es nicht ganz fehlerfrei, doch wow, was ist das bitteschön für ein Spiel? Vor allem, was die Immersion angeht, können nur ganz wenige Spiele überhaupt mit Kingdom Come: Deliverance II mithalten. Und auch spielerisch gibt es sich keine Blöße. Das etwas träge Spieltempo trifft zwar sicherlich nicht jedermanns Geschmack, doch die große Mehrheit wird hiervon ebenfalls begeistert sein und die zahllosen Möglichkeiten, die das Spiel sowohl in Sachen Quests als auch Mechaniken bietet, in aller Ruhe erkunden und genießen. Wenn man nach rund 130 Stunden am Ende angelangt ist, kann man sich sicher sein, bereits jetzt eines der Highlights dieses Spieljahres und ganz nebenbei auch noch eines der besten Rollenspiele aller Zeiten gespielt zu haben.
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