Wer das hier liest, hat aller Wahrscheinlichkeit nach schon einen Teil der Rollenspielserie rund um den Antihelden Geralt von Riva gespielt und vielleicht sogar den einen oder anderen der Romane des polnischen Autors Andrzej Sapkowski gelesen, auf dessen Geschichten die Handlung der Spiele basiert. Die Wahrscheinlichkeit ist außerdem hoch, dass viele nur den dritten Teil der Trilogie kennen. Ein exzellentes Rollenspiel, an dem sich auch jetzt noch alle erscheinenden Genrevertreter messen lassen müssen.
Meinung:
CD Project Red kann man eigentlich nicht vorwerfen, dass die Kuh noch ein wenig gemolken wird und man dort auf den Gedanken verfallen ist, das Kartenspiel im Rollenspiel als Stand alone-Variante zu veröffentlichen. Denn zum einen hätten nicht wenige Spieler gerne mehr gespielt oder mehr Karten aus der finsteren Welt des Hexers zur Verfügung gehabt und zum anderen erfreuen sich Kartenspiele generell wieder recht großer Beliebtheit, zumindest wenn man die Zahl der Veröffentlichungen als Indiz für die Nachfrage nimmt.
The Witcher Tales (fast) ohne Geralt
Dass Thronebreaker schlicht und ergreifend als das "nächste Rollenspiel" im Witcher-Universum beworben wurde, ist vielleicht ein bisschen Effekthascherei, aber nichts desto trotz kann derzeit kein anderes mir bekanntes Kartenspiel mit einer derart beeindruckend inszenierten oder umfangreichen Singleplayer-Kampagne aufwarten. Zu sehr sollten sich Serienveteranen jedoch nicht auf den liebgewonnenen weißen Wolf freuen, denn abseits eines Gastauftritts dreht sich das Geschehen nicht um den Hexer, sondern um die willensstarke Königin Meve und ihr Gefolge, die sich mutig den einfallenden Armeen der Nilfgaarder in den Weg stellt (ebenfalls alte Bekannte).
Spielerische Dreifaltigkeit
Drei Ebenen bilden den Großteil des Spiels: Entweder wir ziehen mit unserer Symbolfigur durch wunderschön detaillierte, isometrische Landschaften, sprechen NPCs an, erkunden die Gegend, lüften kleine Geheimnisse und sammeln Ressourcen für unsere Armee oder wir grübeln im Kampfgetümmel bis der Kopf raucht. Es kommt nicht etwa auf gute Reflexe an, sondern geht sehr häufig darum, die Funktion der auf dem Tisch liegenden Karten zu verstehen und sie geschickt miteinander zu kombinieren, um ein bestimmtes - in der Mission vorgegebenes - Ziel zu erreichen. Dabei ist ein simples Vernichten des Gegners oder Ausbooten durch punktemäßige Übermacht nur selten der Weg zum Ziel. Die Entwickler haben sich zahlreiche Wege überlegt, alles aus der Spielmechanik des Tabletop-Kartenspiels herauszuholen. Mal muss man in wenigen Zügen, gezielt bestimmte Karten ausschalten, mal muss man eine Entfernung zu den feindlichen Einheiten einhalten, um Schleichen zu simulieren, ein anderes Mal kann man nur genug Punkt aufbringen, wenn man die Karten wegen untereinander stattfindender Synergieeffekte in einer ganz bestimmten Reihenfolge ausspielt und so weiter. Wenn man nicht gerade isometrische Landschaften erkundet oder Karten drischt, dann kann man im Armeelager neue Karten entwickeln, Techniken freischalten und das Deck optimieren. Im Laufe der Geschichten stoßen auch einige Begleiter zu uns, mit denen wir uns zwischen den bewaffneten Auseinandersetzungen unterhalten können - auch auf diese Beziehungen haben unsere Entscheidungen Einfluss.
Sehr stark integrierte Rollenspielelemente in einem Kartenspiel ohne künstlich zu wirken
Auch wenn der Titel den Anfänger durchaus an die Hand zu nehmen versucht, empfand ich die ersten Spielstunden mitunter als etwas frustrierend, da die Lernkurve ungemein hoch ist. Das mag insbesondere gelten, wenn man mit derartigen Kartenspielen abseits von The Witcher noch keine profunden Erfahrungen vorweisen kann. Die spielerisch wertvollen Rätsel sind mitunter so eng in der möglichen Lösung, dass ich mich an Point & Click-Adventures alter Zeiten erinnert fühle, in denen ich einfach jeden Gegenstand mit jedem anderen kombiniere, bis ich endlich die richtige Lösung finde, damit es weiter geht.
Die Autoren verstehen ihr Handwerk
Die Autoren hinter der Marke des Hexers verstehen ihr Handwerk und so ist die Geschichte um Meve und ihre Mannen spannend, wendungsreich und nicht immer zimperlich. Die Präsentation erfolgt entweder in schön illustrierten Textboxen oder Gesprächen mit im Comicstil animierten Gesprächspartnern. Beides ist sehr wertig gestaltet und die tadellose, deutsche Synchronisation für das gesamte Abenteuer ist ein weiterer Pluspunkt. Immer wieder wird das Kriegshandwerk von Entscheidungen unterbrochen, die eine Königin zu treffen hat. Soll man den Anderlingen helfen und damit den Zorn eines Dorfes auf sich ziehen, dessen Unterstützung man im Krieg dringend benötigt oder den unschuldigen Angehörigen einer anderen Rasse beistehen? Oft gibt es kein Richtig oder Falsch und erst hinterher ist man klüger. Klasse!
Mehr von Geralt oder CD Projekt Red
Der Monsterjäger Geralt von Riva schickt sich demnächst an, nach bisher erfolglosen osteuropäischen Produktionen auch den heimischen Fernseher fein monsterfrei zu halten. Kein geringer als Henry Cavill (besser bekannt als Superman) wurde von Netflix dafür verpflichtet.
Auch die polnischen Entwickler tüfteln bereits am nächsten großen Wurf, allerdings in einem gänzlich anderen Setting. Cyberpunkt 2077 soll ein SciFi-Rollenspiel werden, erinnert zumindest mich im Setting einer Cyberpunkt-Dystopie ein wenig an DeusEx und sieht in den Cinematics beeindruckend aus.
Fazit:
Für derzeit 25€ (Steam oder GoG) ist Thronebreaker eine großartige Investition für Hexerfans, Rollenspieler und Kartenspieler gleichermaßen. Fühlt man sich nur einer der Gruppen zugehörig, wird man den Kauf vermutlich nicht bereuen. Die Spielwelt ist detailliert gestaltet, die Geschichte spannend, düster und immersiv und das Gameplay herausfordernd - mitunter zu sehr.
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