Im Jahr 2004 veröffentlichten 3D People das Action-Rollenspiel Kult: Heretic Kingdoms. Das Spiel glänzte – obwohl in weiten Strecken ein klassisch isometrisches Rollenspiel – durch eine dicht gewebte Geschichte aus der Feder von Chris Bateman und einige innovative Ideen abseits der Platzhirsche wie Diablo oder Sacred. Leider reichte das nicht für hohe Bewertungen, da u.a. das technische Gerüst nicht auf dem Stand der Zeit war. 10 Jahre später versucht sich das gleiche Entwicklerteam unter einem anderen Namen an einer Fortsetzung, behält erstaunlich viel vom Alten bei, macht aber dennoch vieles besser.
Was zuvor geschah In der Welt der Heretic Kingdoms gab es keinen Gott mehr, denn der wurde durch ein heiliges Schwert in der Hand eines später geisteskranken Königs dahingerafft. Dieser tyrannische Herrscher wurde gewaltsam abgesetzt und im Sinne einer nachhaltigen Lösung wurden alle Religionen und Kulte verboten. Das mächtige Schwert mit dem klangvollen Namen „Götterschlächter“ wurde versteckt und, wie es das Schicksal so wollte, gestohlen. Im ersten Teil spielte man nun eine Inquisitorin, die sich auf die Suche nach dem Artefakt begeben hat. Das Abenteuer endet mit der Zerstörung des Schwertes, wodurch zwar ein Problem gelöst wird, aber das nächste entsteht.
20 Jahre später in den Heretic Kingdoms Nach der Zerstörung des Götterschlächters haben es die Dämonen leichter in die Welt der Sterblichen zu gelangen und Menschen zu Marionetten zu machen. Auch die mächtigen Mitglieder der Penta Nera werden zu Besessenen – allerdings hat ein findiger Magier einen Plan entwickelt um dem entstehenden Chaos Einhalt zu gebieten: Er beschwört einen Devourer, einen besonderen Seelenfresser der gleich mehrere Marionetten kontrollieren kann. Der für Dämonenverhältnisse noch junge Protagonist ist wenig begeistert von der ihm auferlegten Aufgabe und liegt mit den Charakteren, die er besetzt hält, in permanenter (für den Spieler sehr unterhaltsamer) Zwietracht.
Meinung:
2-Fronten-Krieg Ein besonderer Clou bereits des ersten Teils war das Springen zwischen zwei Welten: Der Devourer ist nicht in der Lage die Welt der Sterblichen zu betreten sondern kann dort nur über seine Marionetten agieren. Diese wiederum können nicht in die Welt der Schatten vordringen, dort ist er auf sich alleine gestellt. Der Spieler kann nun also wahlweise als Dämon oder als einer der 14 Charaktere unterwegs sein, deren verschiedene Fähigkeiten sich insbesondere im Kampf gut miteinander kombinieren lassen. Gleich zu Beginn trifft man aber trotzdem eine mehr oder wenige klassische Klassenwahl: Die erste Marionette sucht man sich in einer Art Heldengrab aus – zur Wahl stehen archetypisch gesehen ein Barbar, ein Bogenschütze und eine Magierin. Sehr reizvoll ist an dieser Entscheidung, dass jede der drei Figuren eine eigene Geschichte und damit auch eigene Quests mit sich bringt. Dass der Devourer durch jede weitere Marionette etwas verrückter wird, gestaltet das Gameplay noch unterhaltsamer. Viele Herausforderungen im Verlauf des Spiels sind auf diese Mechanik des Springens zwischen den Welten aufgebaut. So kann der Dämon in seiner Welt Brücken passieren, die in der Welt der Sterblichen schon längst das Zeitliche gesegnet haben. Der einzige Wermutstropfen an diesem Gameplay ist für mich die Tatsache, dass ich um wirklich alle Gegenstände und dergleichen zu finden, die Levels zweimal durchsuchen muss. Denn der Dämon kann beispielsweise Silber nicht aufheben während unser Barbar Ausrüstung für den Devourer gar nicht sieht.
Seelenessenzen statt Heiltränke Eine ebenfalls etwas vom Standard abweichende Idee ist die Möglichkeit, die Seelenessenz der niedergestreckten Feinde per Tastendruck direkt in Lebensenergie umzuwandeln. Das gestaltet die Kämpfe etwas dynamischer, was dem Kampfsystem auch gut tut, da es besonders im Vergleich zum Genreprimus Diablo doch arg behäbig daher kommt. Je nach benutzter Waffe muss man sich zudem überlegen, wie man sich zum Gegner positioniert um beispielsweise mit einem gezielten Schwung der klingenbewehrten Stangenwaffe auch möglichst viele Gegner zu erwischen. Die Bewegungen sind dabei flüssig animiert und das Zerbröseln von Mumien, Skeletten oder Spinnen wirkt stimmig – allerdings ist einfach alles ungewohnt langsam. Beim Zerschmettern der hundertsten Karaffe auf der Suche nach einigen Silbermünzen nervt das etwas.
Viele kleine Talentbäume So innovativ das Gameplay an einigen Stellen ist, so standardisiert erscheinen andere Disziplinen. Zwar ist es für den passionierten Rollenspieler cool, dass jede einzelne Marionette ihren eigenen Talentbaum hat, allerdings ist dieser relativ simpel gestrickt. Die Vielfalt im Kampf ergibt sich eher durch die unterschiedlichen Figuren als durch die breit gefächerten Fertigkeiten. Gemeint sind Dinge wie ein extra starker Schlag, das Platzieren explodierender Phiolen oder eine Art Druckwelle, die Gegner zurückstößt oder gleich ins Jenseits befördert. Nett aber nicht außergewöhnlich.
Kleine Technikschnitzer – Vielleicht Patch? Im Gegensatz zu anderen Genrevertretern fällt etwas weniger Beute an und darunter ist vieles an verwertbaren Zutaten für das Crafting-System, die auf den nächstbesten Amboss wandern. Da ich bisher noch keine Rezepte dafür gefunden habe, kann ich leider dazu noch nichts Genaueres schreiben. Das ist soweit entspannend, da man nicht permanent im Zwang ist, entweder wegzuschmeißen oder zu irgendwelchen Händlern zu rennen. Schade ist allerdings, dass man die Beute mitunter schlecht sieht und das Hervorheben mit der Alt-Taste nicht als Dauerfunktion einstellbar ist. Eine Kleinigkeit, die vielleicht mit einem Patch behebbar wäre? In die gleiche Kategorie fällt Folgendes: Der Charakter kann sich durch Verwendung seiner Mana-Ressourcen (wird durch Seelenessenzen aufgefüllt) per Knopfdruck heilen, allerdings hört dieser Vorgang nicht auf, wenn die Lebensenergie voll ist, sondern erst wenn ich die Taste loslasse. Abseits dieser kleinen Kritikpunkte fühlt sich Shadows: Heretic Kingdoms allerdings toll inszeniert an. Gleich die erste Stadt (Thole) erinnert mich positiv an Lut Gholein aus dem legendären Diablo 2. Die Gebiete sind detailreich gestaltet, die Minimap tut ihren Dienst, das Interface ist klar strukturiert und die NPCs sowie der Soundtrack (erinnert an Game of Thrones) wissen auch akustisch zu überzeugen. Fässer und Krüge zersplittern, Spinnen platzen und Statuen zerbröseln, wie es der Hack&Slay-verwöhnte Rollenspieler sehen und hören möchte.
Fazit:
Genau wie vor 10 Jahren der erste Teil findet auch Shadows: Heretic Kingdoms eine Nische im Einheitsbrei der isometrischen Rollenspiele und bringt einige nicht genreübliche Ideen dazu. Anders als damals weiß allerdings die technische Seite und die Inszenierung zu überzeugen. Die Vielzahl der steuerbaren Figuren und die selbstironischen Streitigkeiten der Charaktere untereinander stellen einen zusätzlichen Bonus dar. Die kleinen technischen Schwierigkeiten stellen Kritik auf hohem Niveau dar und wenn ein Patch auch noch die beseitigt, spielt der Titel für mich weit oben mit.
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