Of Orcs and Men
Entwickler:
Cyanide Studio
Publisher:
Focus Entertainment
Genre:
Rollenspiele
USK Freigabe:
Freigegeben ab 12 Jahren gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
36 bis 55 €
Systeme:
PC, PlayStation 3, Xbox 360
Inhalt:
Das französische Entwicklerstudio Cyanide mag Sport und Fantasy. Sie haben die Tour-de-France-Spiele gemacht, und beide Vorlieben in Spielen wie Chaos League verknüpft. Das Fantasy-Football-Spiel (Im wahrsten Sinne des Wortes) hatte Ähnlichkeit zu Blood Bowl, einem Warhammer-Footballspiel vom Tabletop-Spezialisten Games Workshop. Statt eine Klage zu kassieren, durften die Franzosen später Blood Bowl selbst als Videospiel umsetzen. Mit den Spielen zu A Game Of Thrones bewies man dann leider kein sehr gutes Händchen. Nun versuchte sich Cyanide aber an einem Rollenspiel, das auf eigenen Ideen basiert. Naja, fast. Denn, wenn man sich Of Orcs and Men anschaut, erkennt man schnell wieder das Warhammer-Vorbild der Grünhäute.
Meinung:
Aber das muss ja nichts schlechtes sein, und so manch einer baute auf der geliehenen Idee von grünen Orks (und anderen Dingen) ein ganzes Imperium auf. In der Welt von Of Orcs and Men ist aber einiges anders. Die muskelbepackten Orks wurden hier von den Menschen auf Geheiß eines grausamen Imperators versklavt und fristen nun ein erbärmliches Dasein. Aber nicht alle Orks leben in Gefangenschaft. Nein, eine Handvoll Rebellen leben noch frei, fanden Sympathisanten unter den Menschen, und müssen stets um den Erhalt ihrer Freiheit kämpfen. So auch Arkail von den Blutkiefern, der von seinesgleichen auch Schlächter von Buchthafen genannt wird. Zusammen mit dem Goblin-Attentäter Styx soll er in einem von mehreren Teams agieren, die alle das gleiche Ziel haben: Den Imperator der Menschen zu töten.
Der Hulk in dir Man sagt, es sei unvorteilhaft, wenn man in Filmen und Büchern keinerlei menschliche Protagonisten hat, weil sich dem Publikum kaum Identifizierungsmöglichkeit bietet. Ich fand schon immer, dass man das nicht so eng sehen sollte. Schließlich sind gerade Orks oftmals den Menschen nicht so unähnlich. So kann Arkail seine Wut kaum unter Kontrolle halten, wird schon mal zum Berserker und vernachlässigt seine Verteidigung dann völlig. Das wurde auch spielerisch perfekt integriert, doch dazu später mehr.
Tyrannenmord Of Orcs and Men wirkt auf den ersten Blick wie ein Action-Adventure, doch das ist es absolut nicht. Die beiden Figuren, zwischen denen man jederzeit mit Y (auf der PS3 wird es wohl Dreieck sein) umschalten kann, schlagen nämlich nicht auf Knopfdruck zu, weswegen man auch keine Fässer zerschlagen uns sonstigen Unsinn anstellen kann. Zwar darf man Shortcuts für Fähigkeiten auf RT und LT legen, damit kann man aber nur zwei von vielen Skills abdecken, und die ungewöhnlichen Helden hauen trotzdem nicht zu, wenn man nicht im Kampf ist. Daher folgt Of Orcs and Men wohl eher fernöstlicher als westlicher RPG-Tradition: Die Levels haben zwar Abzweigungen, sind dennoch eher schlauchig angelegt, was wir doch auch ganz gut von Final Fantasy XIII kennen (Wobei auch Dragon Age nicht ohne Schläuche auskam). Wie ein JRPG konzentriert sich das Ork-Abenteuer auch voll und ganz auf die richtig gelungene Handlung statt austauschbare Story, auf gut ausgearbeitete Charaktere statt Individualisierungsfreiheit und auf das Kampfsystem. Gelegentliche Dialogoptionen, welche die westliche Herkunft bescheinigen, gibt es trotzdem.
Eine Prise Splinter Cell Und da kommt doch ein wenig Action-Adventure ins Spiel. Denn der Goblin Styx kann sich wie der gute, alte WoW-Schurke tarnen, und so unerkannt umherschleichen. Per Knopfdruck meuchelt er wie Sam Fisher oder Violette Summer aus Velvet Assassin dann den Gegner. Wobei wir schon bei einem Schwachpunkt wären: Zwar wird man von zu nahen Feinden schon bemerkt, wenn man aus den Schatten und in Aktion tritt, patrouillierende Wachen stören sich aber nicht an den am Boden liegenden Leichen. Geht man geschickt vor, und passt die Patrouillen einzeln ab, kann man so einen nach dem anderen ausschalten, ohne entdeckt zu werden. Während Styx schleicht, bleibt Arkail da stehen, wo er ist. So ist es auch sinnvoll, aus größeren Gegnergruppen erstmal einen Feind zu „entfernen“, um dann beide Grünhaut-Buddies in den offenen Kampf zu schicken.
Befehlsgewalt Da kommen dann der linke und der rechte Button ins Spiel, die den Spielablauf erheblich verlangsamen, damit man Befehle aus den Fähigkeitenrädern eingeben kann. Welchen man drückt, ist im Prinzip egal, man landet dann nur auf einem anderen Rad und hat einen nur unmerklich längeren Weg zum anderen. Bei Arkail ist links das Rad mit den Skills für die offensive Kampfhaltung, bei Styx für den Nahkampf mit seinen Dolchen. Rechts hat der Ork die Fähigkeiten für die Verteidigungshaltung, der Goblin die für den Fernkampf, bei dem er Wurfmesser benutzt. Dazwischen liegt das Spezialrad, wo man z.B. den Partner wiederbeleben kann. Um bei Druck auf LB also vom linken zum rechten Rad zu kommen, muss man zweimal den Pfeil nach rechts anklicken, weil man am mittleren Rad noch vorbei muss. Auch während der Befehlseingabe kann man die Figuren wechseln.
Wut bändigen Die Fähigkeiten sind viel interessanter gestaltet als bei einigen anderen Genrevertretern. Styx kann z.B. die Rüstung des Gegners beschädigen, ihn aus der Balance bringen und per Skill-Upgrade seinen leichten Schlägen eine Blutungschance hinzufügen. Arkail hat z.B. einen Betäubungsschlag und eine Möglichkeit, Wut abzubauen, damit er nicht zum unkontrollierbaren Berserker wird (die Kontrolle verliert man dann nämlich wirklich), und auch Styx zusammenschlägt, wenn er im Weg ist. Pro Level Up kann man einen Skill verbessern oder levelabhängig auch eine neue Fähigkeit lernen. Außerdem darf man jeweils einen Statuspunkt für jeden der beiden Helden setzen. Die beiden steigen übrigens gemeinsam auf.
So, und jetzt mal auf extrem stellen. Jippie! So sinnvoll es auch aussehen mag, Arkail auf gleich große Ork-Kollaborateure anzusetzen, so sehr hat mich dies bei der ersten Endgegnergruppe auf „Extrem“ zum Scheitern verurteilt. Denn gerade auf diesem Schwierigkeitsgrad kommt für RPG-Kampfstrategen richtig Freude auf, wenn es darum geht, wie man sich aufstellt, welcher Gegner zuerst dran ist, und welche Fähigkeiten man wählen soll. Styx wird also kurzerhand dazu abgestellt, den großen zu beschäftigen, und das klappte wunderbar. Flinke Kämpfer weichen schweren und damit langsamen Attacken nämlich prima aus. So sollte man es auch bei den Gegnern halten: Das Spiel versorgt den Spieler im Ladebildschirm deswegen mit Tipps, z.B. dass Speerkämpfer flink sind, und auch mit leichten Schlägen bearbeitet werden sollten. Wenn man das Kampfsystem einmal verinnerlicht hat, macht es einen riesigen Spaß. Und gerade bei Rollenspielen ist es auch immer schön zu sehen, wenn man den Schwierigkeitsgrad auswählen kann.
Eingesackt Es gibt übrigens keine Itemschwemme bei Of Orcs and Men. Normale Gegner lassen gar nichts fallen, in Säcken abseits des Hauptweges und in Truhen findet man dann immer jeweils nur einen Gegenstand. Durch Bestreiten von Bosskämpfen bekommt man ebenfalls etwas. Das muss man dann aber nicht extra aufsammeln, es wandert automatisch ins Inventar. Da freut man sich dann umso mehr über Waffen und Rüstungsteile, und muss nicht ständig das Inventar ausmisten, weil man nichts mehr tragen kann, und man so viele ähnliche Gegenstände besitzt.
So schön hässlich, diese Grünhäute Bei all dem Lob für Of Orcs and Men, wenn man mal von der eingeschränkten Bewegungsfreiheit und den gleichgültigen Waffen absieht, dann muss das Spiel doch wenigstens grafisch und beim Sound Prügel einstecken, oder? Absolut nicht! Die Charaktere sehen einfach spitze aus, und auch wenn die Levels etwas detailreicher sein könnten, kommen sie richtig gut rüber, und werden durch gute Wettereffekte in ihrer atmosphärischen Wirkung noch gestärkt. Auch die Musikuntermalung kann sich hören lassen, und die deutsche Sprachausgabe ist richtig gelungen. Die Stimmen der beiden, die teils derben Sprüche und die echt gelungene und gut erzählte Handlung sorgen für ein ungewöhnlich geniales Spielgefühl weitab des Mainstream.
Fazit:
Cyanide ist mit Of Orcs and Men wohl der erste, richtig große Hit gelungen! Ich hoffe nur, dass sich das auch in den Verkaufszahlen niederschlägt, und das Spiel nicht einer der vielen Geheimtipps bleibt, die nie so richtig bekannt werden, und dann in ein paar Jahren in einer Liste der besten und am wenigsten beachteten Spiele der letzten Zeit landen. Das Kampfsystem, die Story, die Charaktere und die Präsentation: Alles ist gelungen und macht richtig Laune. Für Rollenspieler also eine absolute Kaufempfehlung und daher ein richtig erstklassiger Splashhit!
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Autor der Besprechung:
Michael Hambsch
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