Tiny & Big in: Grandpa's Leftovers
Entwickler:
Black Pants Game Studio
Publisher:
Crimson Cow
Genre:
Action
USK Freigabe:
Freigegeben ab 6 Jahren gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
15 €
Systeme:
PC
Inhalt:
Inzwischen kann man ja fast alles als Indie-Game bezeichnen, bei dem der Kreativität der Entwickler keine Grenzen durch Vorgaben der Publisher gemacht wurden. Im Gegensatz dazu das AAA-Game, das möglichst eine breite Zielgruppe ansprechen und für klingende Kassen sorgen soll. Wenn man ein bisschen in die Zeit zurückblickt, als Videospiele noch nicht so das Massenphänomen wie heute waren, dann findet man nicht wenige Games, auf die diese Beschreibung auch zutreffen könnte. Irgendwo zwischen klassischem Vollpreisspiel und kleinem Indietitel findet sich nun Tiny & Big in: Grandpa's Leftovers in den Regalen. Das Black Pants Game Studio aus Kassel hat das Spiel wie viele Indie-Titel zunächst als Download vertrieben, die Retailfassung erscheint mit Hilfe der Adventurespezialisten von Crimson Cow.
Meinung:
Tiny hat ein Problem. Sein Großvater hat ihm eine magische Unterhose, ein Relikt einer längst untergegangenen Zivilisation, hinterlassen, und auf die hätte er gut aufpassen sollen. Doch der etwas kleinere, dafür umso machthungrigere Big hat sich die Unterhose geschnappt und lebt seinen Größenwahn nun in einer Wüste voller altertümlicher Ruinen aus. Tiny versucht alles, das Artefakt zurück zu bekommen, und dabei den Angriffen von Big zu entgehen. Dabei steht ihm nicht nur sein treues Radio, sondern auch drei ultimative Werkzeuge zur Verfügung: Der Greifhaken, die selbstgebauten Raketen und der Allzwecklaser.
So viel zum Zerschneiden Gerade letzterer gibt dem Third-Person-Abenteuer die richtige Würze. In einigen Tutoriallevels, die Tiny auf seinem monochromen „Reality Boy“ spielt, bekommt man die Werkzeuge näher gebracht. Mit dem Laser zerschneidet man Steine, Blöcke, Säulen, Schutt und Geröll, so wie es einem gerade passt. Mit der Maus zielt man und zieht eine Linie – ist das gewünschte Objekt komplett erfasst, zerschneidet es Tiny mit seinem Laser entlang der Linie. Mit dem Greifhaken kann man die Objekte dann herumziehen, die Raketen haften dagegen an den Oberflächen. Man löst sie dann mit der mittleren Maustaste aus, und solange man diese drückt, gibt die Rakete auch Schub. So kann man die Welt manipulieren, wie es einem gefällt, bzw. wie man es benötigt, um weiter zu kommen, oder um Sammelobjekte (Musik-Kassetten und „Boring Stones“) und Bonus-Arcade-Levels zu erreichen. Starre Puzzles gibt es hier nicht, vielmehr ist jeder Level eine Mischung aus Sandbox und klassischem Design. Und es mach einfach enorm viel Spaß, mit der Umgebung zu experimentieren. Hier wird eine Brücke gebraucht, da müssen wir ein wenig abschneiden um hoch zu kommen, und und und. Wem Minecraft zu wenig Spiel und zu viel Bastelei war, wer aber dennoch etwas für Erforschung und Interaktion mit der Umgebung übrig hat, erlebt hier, wie gut man die Verschmelzung beider Welten hinbekommen kann.
Indie auf ganzer Linie Dabei kratzt Tiny & Big in: Grandpa's Leftovers allerdings nur an der Oberfläche. Sicher wären mehr und größere Levels, zahlreichere Werkzeuge, richtige Gegner und ausgefeiltere Puzzles möglich gewesen, doch handelt es sich hier immer noch um ein preisgünstiges Indie-Game, das so auch perfekt in die Downloadbibliotheken von PS3, Xbox 360, Wii U, Vita und 3DS passen würde. Auch Portal hat mal klein angefangen, und mit der hauseigenen Scape Engine könnte Black Pants ganz sicher noch so einiges mehr hinbekommen. Meine persönliche Bitte: Noch mehr RealityBoy-Puzzle-Levels, mit der gleichen Optik und dem gleichen Sound.
Das wäre auch ein weiteres Stichwort: Die gefundenen Kassetten schalten nämlich allesamt enorm abwechslungsreiche Musikstücke frei, die von zahlreichen Indiebands rund um die Welt stammen. Ein Tastendruck, und Tinys Radio wählt den nächsten Titel an. Da geht man gerne auf die Jagd nach den Sammelobjekten, gibt es hier doch auch musikalisch etwas zu entdecken.
Spielwiese Die skurrile Story steht natürlich für sich – und sorgt immer wieder für Lacher. Passend dazu der Grafikstil: Tiny und Big muss man einfach mögen, auch wenn letzterer doch recht fies daher kommt, und die magische Unterhose auf dem Kopf trägt. Der Grafik besteht dabei aus einem ganz eigenen Comicstil – teils auch am Design der Golden-Age-Heftchen orientiert – der auch in der 3D-Umgebung richtig gut aussieht. Dazu gehören auch die Soundworte, die immer mal wieder erscheinen, wenn es kracht und scheppert. Natürlich, man muss so etwas mögen. Aber solche Spiele sind auch nicht für jeden FIFA- und CoD-Spieler gemacht, sondern vor allem für jene Zocker, die immer mal wieder etwas neues ausprobieren, und sich gerne überraschen lassen.
Speicher-Frust Bei so viel Lob darf natürlich auch ein wenig kritisiert werden. So sind die Checkpoints manchmal etwas schlecht gewählt. Mal muss man ewig laufen, weil man einen schon einen weiteren Rücksetzpunkt ausgelöst hatte, dann etwas zurück ging, um einen versteckten Raum zu finden. Dieser Checkpoint gilt dann, und auch wenn man wieder in den Raum kommt, in dem es weiter geht, wird dort nicht erneut einer gesetzt. Ein anderes Mal habe ich es hinbekommen, dass Tiny beim Klick auf Fortsetzen sofort irgendwo in der Luft erscheint, und in die Tiefe stürzt. Da half nur eine erneute Anwahl des Levels aus dem Hauptmenü. Dann wird wieder direkt während Bigs Zerstörungsorgie gespeichert, das einem nur so die Brocken um die Ohren fliegen, sobald das Spiel erneut losgeht. Auch ärgerlich (oder eher langweilig?) ist es, wenn man Boring Stones sammeln muss, die man eigentlich schon eingepackt hatte. Dass man dies spielerfreundlicher gestalten kann, haben nicht nur Vollpreistitel schon gezeigt.
Fazit:
15 Euro, mehr muss man nicht berappen, um ein erfrischend anderes, deutsches Indiegame als Retailversion auf seinem heimischen PC genießen zu können. Tiny & Big in: Grandpa's Leftovers kann dabei mit schräger Story, ungewöhnlicher Grafik und einem faszinierenden Jump'n'Slice-Gameplay aufwarten. Man zerlegt die Welt (die armen, alten Ruinen), nutzt Seil und Raketen um auch alles passend zu positionieren, und bahnt sich so seinen Weg durch die Levels. Das macht richtig Spaß, gerade weil man sich trotz fester Ziele so frei durch die Welt schneiden und bewegen kann. Danke an das Black Pants Game Studio und an Crimson Cow für dieses recht kurze, aber sehr spaßige Spiel.
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Autor der Besprechung:
Michael Hambsch
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