The Saboteur
Entwickler:
Electronic Arts
Publisher:
Electronic Arts
Genre:
Action
USK Freigabe:
keine Jugendfreigabe gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
46 bis 65 €
Systeme:
PC, PlayStation 3, Xbox 360
Testsystem:
Dual Core 3,0 GHz; 4 GB RAM; ATI Radeon HD 4800
Anforderungen:
Dual Core 2,4 GHz; 2 GB RAM; Nvidia GeForce 7800 GTX; 7 GB Festplatte
Inhalt:
Wie es sich für eine so schnelllebige wie finanzstarke (lies: kapitalistische) Branche gehört, hat die Videospielbranche ein ausgesprochen kurzes Gedächtnis: Als klassische Kapitalgeber leben besonders die Publisher nur für gegenwärtigen Ertrag. So spielen z.B. die in der Vergangenheit erreichten Verdienste eines Entwicklungsstudios bei der Frage nach der weiteren Finanzierung eines Projektes keine große Rolle. Und so gut interessierte Beobachter dieses Phänomen inzwischen auch kennen, so traurig muss sie die kurzfristige Schließung eines altgedienten Entwicklungs-Veteranen dennoch stimmen.
Dieses leidliche Schicksal, zum Spielball betriebswirtschaftlicher Winkelzüge zu werden, erfuhren unlängst auch die 1998 gegründeten Pandemic Studios, verantwortlich für Titel wie Full Spectrum Warrior, Star Wars: Battlefront oder die Mercenaries- und Destroy all Humans-Serien. Ursprünglich unabhängig, kaufte EA das Unternehmen 2007 und schloss es Ende 2009, noch bevor das letzte Projekt The Saboteur offiziell abgeschlossen war. Dennoch erschien der ambitionierte Titel nun. Bleibt die Frage, ob das Spiel seine unschöne Geburt unbeschadet überstanden hat.
Meinung:
In The Saboteur schlüpft der Spieler, Überraschung, in die Haut eines schleichenden, zu allem bereiten Bombenlegers: eines Saboteurs eben. Der heißt Sean Devlin, ist Ire und sitzt eines Abends im von den Nazis besetzten Paris in einer Bar, um seinen Frust zu ersaufen. An diesem eher unschönen Ort wird er von einem mysteriösen Mann mit französischem Akzent angesprochen, der ihn zum Kampf gegen die barbarischen Besatzer auffordert. Nach kurzem Zögern schließt sich Sean dem Mann an und wird damit zum Mitglied der Resistance, die allerdings während seiner zerstörerischen Abenteuer nicht der einzige politische Faktor bleiben wird.
Eine neue Perspektive Wer jetzt angesichts der unglaublichen Masse an anderen Titeln, die sich mit dem 2. Weltkrieg beschäftigen, nur die Augen verdreht und frustriert feststellt, dass „den Entwicklern ja auch nichts Neues mehr einfällt“, sollte erstmal sein historisches Grundwissen aufbessern. Denn mit Schlachten á la Call of Duty usw. hat und hatte das Wirken der Resistance wenig gemeinsam. Nicht Soldaten, sondern Zivilisten waren es, die ab 1940 immer mehr Ressourcen der deutschen Invasoren mit Attentaten, Anschlägen und schlichtem zivilen Ungehorsam innerhalb Frankreichs banden und so einen entscheidenden Beitrag zur erfolgreichen Befreiung Frankreichs durch die Allierten lieferten.
Vorsicht ist geboten Entsprechend kann Devlin zwar mit Waffen umgehen und muss das im Spielverlauf auch zur Genüge tun, sein eigentliches Talent liegt aber darin, über die Dächer von Paris zu klettern und die Einrichtungen der Deutschen zu zerstören. Mit allen nötigen Mitteln. Zwar lassen sich dabei (oft sehr blutige) Schießereien mit den Besatzern nicht verhindern, grundsätzlich sollte es der Spieler aber im eigenen Interesse vermeiden, all zu großen Nazi-Gruppen zu begegnen. Zumindest solange er dafür nicht die richtige Ausrüstung hat.
Fotorealistisch Zum Glück haben die Entwickler die zahllosen Winkel und unübersichtlichen Dachlandschaften der französischen Hauptstadt aber unglaublich detailliert ins Spiel implementiert. Überall bieten sich Regenrinnen, Fensterbänke und Ranken an, um riesige Hauswände zu erklimmen, immer wartet ein gespanntes Seil darauf, als Brücke über eine Straßenschlucht genutzt zu werden. Jeder, der Paris schon einmal besucht hat – wenn auch nur für wenige Stunden – wird sich durch das virtuelle Paris von The Saboteur sofort in die viel beschworene Stadt der Liebe versetzt fühlen.
Kampf der Monotonie Dabei ist das Leben dort unter den Nazis natürlich alles andere als rosarot: Belästigungen, Erschießungen und sonstige Gräuel sind an der Tagesordnung und nehmen der zivilen Bevölkerung schnell jeden Lebensmut. Um das zu verdeutlichen, nutzt The Saboteur ein simples, aber schon ästhetisch unglaublich effektives Merkmal: Farbe. Umso mehr der Einfluss der Nazis in einem Stadtteil von Paris schwindet, umso mehr gewinnt die Grafik an Farbe. Während sich die meisten Abschnitte zu Spielbeginn noch in dramatischem Schwarz-Weiß präsentieren, blüht das Leben mit jedem zerstörten Nazi-Panzer sichtbar auf. Ein Einfall, für den man die Pandemic Studios nicht euphorisch genug loben kann.
Sightseeing Aber auch abgesehen von ihrem auffälligsten Feature weiß die Grafik von The Saboteur praktisch uneingeschränkt zu überzeugen. Nie erinnert die Umgebung, wie in anderen Open-World-Titeln, an einen Grafikbausatz in verschiedenen Variationen, immer macht das Paris auf dem Bildschirm den Eindruck einer lebendigen Stadt. Dadurch gewinnt man selbst dann, wenn man eine beliebige Straße zum 17ten Mal entlang fährt, den Eindruck, hier noch nicht gewesen zu sein. Zumindest bis man sich plötzlich wieder vor Mont-Matré wiederfindet und feststellt, nur einmal um den Block gefahren zu sein.
Pulsierende Großstadt Dadurch, dass diese Straßen mal mehr, mal weniger mit Menschen gefüllt sind, lässt The Saboteur schnell eine sehr organische Atmosphäre entstehen. Die Stadt wimmelt von spazierenden Rentnern, offenherzigen Prostituierten, lauten Verkäufern und auch sonst all dem, was eine Metropole zu bieten hat. Zusätzlich hängen an vielen Wänden Veranstaltungsplakate oder es rufen Radiodurchsagen der Nazis zur Hygiene, etc. auf. Kurzum: The Saboteur spielt in einer manchmal erschreckend realistischen Stadt.
Arbeit und Vergnügen In dieser entwickeln sich um Devlin im Spielverlauf zahlreiche verschiedene, aber dennoch miteinander verwobene Handlungsstränge, die der Spieler relativ frei abarbeiten kann. Dabei erlebt der Ire alles, was zu einer guten Abenteuergeschichte gehört: Zwielichte, aber hinreißende Frauen; brillante, aber wahnsinnige Wissenschaftler; dramatische Autorennen und den Verlust geliebter Menschen. So weit, so gut. Zwischen den einzelnen, sehr abwechslungsreich konstruierten Hauptaufträgen steht Devlin aber die wirklich dreckige Arbeit ins Haus: Türme sprengen, Panzer zerstören, Lautsprecher ruinieren. Das gerät, auch wenn man dafür Schmuggelgut erhält, welches man auf dem Schwarzmarkt gegen Verbesserungen eintauschen kann, relativ schnell zu einer ziemlich ermüdenden Angelegenheit.
Langsam, aber gewaltig Entscheidenden Anteil daran hat die leider nur beschränkte KI der Gegner. Diese überfährt sich mit Hingabe selber oder bemerkt den Todeskampf des Kameraden direkt hinter sich nicht. Erst wenn der Spieler es versäumt, umgehend das Weite zu suchen oder sich in einem der zahlreichen Verstecke zu verbergen, fahren die Nazis derartige Truppenmengen auf, dass es auch für den besten Scharfschützen sehr, sehr schnell bedrohlich wird.
Wer, verdammt, ist Spider-Man? Auffällig wird gerade bei großen Scharmützeln, dass die Animationen der Figuren in The Saboteur – von der Hauptfigur einmal abgesehen – leider oft sehr seltsam aussehen. Gerade der grobmotorische Umgang der einfachen Nazi-Soldaten mit ihren Gliedmaßen wirkt oft einfach lächerlich. Im krassen Gegensatz dazu sind gerade Devlins Klettertouren eine sprichwörtliche Augenweide. Elegant schwingt er sich von Sims zu Sims, um sich dann kraftvoll Richtung Dachkante zu katapultieren.
Singen können sie ja... Irgendwann passt ein Absprung dann aber nicht und Devlin stürzt ab, nur um das – falls der zähe Kerl es überlebt – stilecht und lakonisch zu kommentieren. Hierbei wird deutlich, warum der Hauptcharakter von The Saboteur zwar für Frankreich kämpft, aber nicht Franzose ist: Schon der so realistisch wie nervtötende Akzent der NPCs treibt dem Spieler manches Mal die Tränen in die Augen und die Watte ins Trommelfell. Davon weiß der Sound des Spiels aber durchaus zu gefallen, gerade die in den geklauten Autos zu hörende, zeitgenössische Musik lädt fast zum grinsenden Mitschunkeln ein.
Stilvoller Voyeurismus Unglaublichen Spaß machen aber auch die zahllosen, liebevollen Details, die die Entwickler in The Saboteur eingebaut haben. So zündet sich Devlin – ganz der coole Held eines Abenteuerfilms – immer, wenn er lange steht, eine Zigarette an, um diese dann beim Loslaufen lässig wegzuschnippsen. Oder er reißt mit einer lässigen Bewegung das Streichholz an, während ihm die Kugeln um die Ohren fliegen, um das Dynamit zu zünden. Entsprechend sieht auch der Unterschlupf des gesuchten Verbrechers aus: Ein versteckter Raum hinter der Umkleide einer Stripshow. Die Gucklöcher, um die Damen dabei angemessen betrachten zu können, sind selbstverständlich vorhanden.
Frauenheld Die absolute Krönung stellen aber teilweise die Verstecke dar, die Paris zu bieten hat. So besitzt Devlin offensichtlich eine Flatrate für alle Bordelle der Stadt, was er beim Verlassen des Etablissements auch stilecht kommentiert. Den Mund nicht mehr zu bekommt der (männliche) Spieler dann, wenn sich Devlin auf der Flucht vor den Hakenkreuz-Schergen eine allein gehende Dame schnappt, um diese als amouröses Alibi zu missbrauchen. Energischer Zungenkuss und anschließendes Hinterherschmachten seitens der Beehrten inklusive.
(Zu) lockerer Ton Spätestens hier wird deutlich, dass The Saboteur eine durchaus humorige Note hat, die zwar den Macho im männlichen Konsumenten anspricht, moralisch gebildeten Seelen aber möglicherweise nicht gefallen wird. Denn ohne Zweifel hat die Verwendung eines so emotional und ethisch anspruchsvollen Hintergrundes wie dem des französischen Widerstandes in einer launigen Abenteuergeschichte wie The Saboteur manchmal einen seltsamen Beigeschmack. Ähnlich wie bei Tarantinos Inglorious Basterds dürften sich daran die Geschmäcker scheiden.
Fazit:
Auch wenn man den Entwicklern von The Saboteur sicher den Vorwurf machen kann, sich mehr als deutlich von Titeln wie Mafia oder der GTA-Reihe
beeinflusst haben zu lassen, ist den Entwicklern dennoch ein selten
originelles und vor allem schlüssiges Spiel gelungen. Denn auch wenn
gerade der Freeplay-Modus des Spiels nicht so gut gelungen ist wie bei
der Konkurrenz, trumpft The Saboteur mit Features auf, die man
zwar nicht erwartet hat, aber sehr schnell lieb gewinnen wird.
Besonders der Einsatz der Farben im Spiel, die so traditionelle wie
liebevoll umgesetzte Story, das neuartige Setting und nicht zuletzt der
großartige Protagonist Sean Devlin sind hier zu nennen. Einen viel
besseren Beweis für ihr eigenes Können und für die kreative
Kurzsichtigkeit der Publisher hätten die Pandemic Studios nicht abliefern können.
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Autor der Besprechung:
Max Link
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