Tortuga - Two Treasures
Entwickler:
Ascaron
Publisher:
Deep Silver
Genre:
Action
USK Freigabe:
Freigegeben ab 16 Jahren gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
39,98 €
Systeme:
PC
Testsystem:
AMD64 3000+, 1GB RAM, Geforce 6600LE 256MB, WinXP
Inhalt:
Nicht nur zur Karnevalszeit sind tuntige Saufköppe mit Augenklappe schwer in Mode. Diverse Abenteuerspiele wollen das Lebensgefühl eines Captain Jack Sparrow genau so authentisch und spannend rüberbringen, wie tausende stereotyper Filmproduktionen. Die deutschen Entwickler bei Ascaron feiern ihr 15- jähriges Dienstjubiläum und spendieren in einer Sonderausgabe von Tortuga - Two Treasures noch drei weitere hauseigene Freibeuterklassiker. Ob mit dem zweiten Schatz auch das neuste Action-Adventure gemeint ist, wird sich im Folgenden zeigen.
Meinung:
Kleiner Kreativkurs: man nehme ein Mindmap und schreibe in die Mitte das Wort „Pirat“. Wenn ihr euch kurz fünf Minuten Zeit nehmt, alles aufzuschreiben, was euch dabei in den Sinn kommt, habt ihr so ziemlich genau den Inhalt von „Tortuga“ getroffen. Es fehlt so gut wie kein Klischee, was ihr jemals in irgendeiner Weise über die großen Seeräubermythen gehört oder gelesen habt. Fechterprobte Gouverneurstöchter ergänzen hier genau so die Story wie Geisterschiffe, Grog und große Kraken.
Ihr schlüpft in die Haut des jungen Piraten Guybrush ... ähhh, Thomas „Hawk“ Blythe, Ähnlichkeiten mit J. Sparrow sind wohl die Schuld von Rainer Zufall. Ihm passiert so ziemlich alles, was einem gestandenen Piraten niemals widerfahren will, und dann noch alles auf einmal: vom Piratenziehvater Blackbeard verraten, Mannschaft meutert, Schiff geklaut, in den Knast gesteckt, mit Voodoo-Fluch belegt und Freundin ermordet. Wenn man da mal nicht von der Planke springen will. Dem Klabautermann sei Dank kann man sich in jeder Spelunke immer noch die Welt schön trinken.
Spiel oder nicht Spiel? Das ist hier die Frage! Also zieht ihr los euer Leben und das der Rest der Karibik wieder ins Lot zu bringen. Eure Säbelschwingerkünste kommen euch dabei genauso zu gute, wie eure Qualitäten als Kapitän und Navigator einer Schaluppe. Man hat ständig das Gefühl, dass Ascaron eigentlich einen Film drehen wollte, statt ein Spiel zu produzieren. Die ausgiebigen und spannend erzählten Zwischensequenzen werden permanent von einer von zwei verschiedenen Daddeleinlagen unterbrochen. Die dauern dann allerdings meistens nur 5-10 Min bis wieder das nächste Filmchen die Wendungen präsentiert.
Mein Schwert wird dich aufspießen! An Land beschränkt sich die Steuerung mit der Schulterperspektive auf die WASD Tasten sowie der Maus zur Kameraführung. Alternativ stöpselt ihr das Gamepad an, ist aber nicht zu empfehlen. Die Kamera ist leider so schlecht programmiert, dass dauernd irgendwelche Palmen die Sicht versperren. Mit den Maustasten schwingt ihr euren Säbel. Dem Voodoopriester sei Dank habt ihr es mit versoffen Piraten und nicht mit ’nem Schachcomputer zu tun. So beschränken sich eure Handlungen leider nur auf das Malträtieren der linken Maustaste. Aua! Ihr dürft nach glorreichen Siegen über Bossgegner noch ein paar wenige Komboattacken dazulernen.
Sonst hat die Landmission keinen großen Reiz. Ihr müsst nicht mal Rätsel lösen. Nur hier und da sind vereinzelt Truhen versteckt, in denen ihr Gold, Schlafpulver, Lebenssaft oder Pistolen findet, die euch den Kampf mit den Scharen von Gegnern vereinfachen sollen. Selbst die müsst ihr erst umständlich über die Zifferntasten auswählen. Im Gefecht eine sehr stressige Angelegenheit.
Mann über Bord! Ansprechender, spannender und abwechslungsreicher sind die Seeschlachten gelungen. Mit derselben Bedienung wie an Land steuert ihr euer Schiff. Diverse Modelle stehen euch im Laufe des Spiels zur Verfügung. Die Seewelt bietet einen weiten Horizont, doch der täuscht nicht darüber hinweg, dass eure Bewegungsfreiheit nur auf eure Missionen beschränkt ist. Wollt ihr dem Zwist lebe wohl sagen und dem Sonnenuntergang entgegensegeln, schickt euch das Spiel per U-Turn wieder in die Schlacht. Drückeberger werden in der Karibik halt nicht geduldet.
Beim Seekampf müsst ihr immer wieder versuchen eine volle Breitseite auf den Gegner loszuballern, ohne dass er dieselbe Gelegenheit bekommt. So müsst ihr eure oft in Überzahl auftauchende Gegnerflotte andauernd umkreisen. Am wendigsten seid ihr dabei mit der langsamsten Segelstufe. Der Wind ist hier leider völlig bedeutungslos. Schade, somit fehlt ein wichtiges taktisches Element. Während der Schlacht geht natürlich viel zu Bruch. Sowohl Rumpf, Segel und Mannschaft erleiden Verluste. Ersteres zu verlieren bedeutet im wahrsten Sinne euren Untergang. Kaputte Segel machen euch langsamer und eine große Mannschaft braucht ihr, um die vielen Kanonen schnell nachzuladen.
17 Mann auf des toten Mann’s Kiste... Habt ihr eure Feinde vernichtet, hinterlassen die ihren Schatz, der nun auf der See frei umherschwimmt und darauf wartet, von euch aufgefischt zu werden. Neben diversen Reparaturkits enthalten die Kisten auch Köder für Kraken, die feindliche Schiffe festhalten und angreifen, Dynamitfässer und Spezialkugeln.
... und ’ne Buddel voll Rum Wenn ihr euch den ganzen Kampfquatsch schadlos schenken wollt, verschanzt euch einfach hinter einem Riff. Captain Kurzsichtig und Blinder Seewolf parken ihre schwimmenden Nussschalen mit vollem Seemannseifer garantiert immer genau dort, wo ihr sie haben wollt und laufen auf Grund.
Mit Pauken und Trompeten in den Sonnenuntergang Atmosphärisch ist das Spiel durchaus gelungen. Dazu trägt das stimmungsvolle Orchestra ebenso bei wie die professionellen Synchronsprecher, die der Story die notwendige Würze verleihen. Leider sind Grafik und Animationen nicht ganz so Top wie der Sound. Möchte man sich die malerischen und detailverliebten Screenshots der Seeschlachten am liebsten übers Bett hängen, kranken dagegen die Landmissionen an allen Ecken und Enden. Die Texturen wirken wie durch den Weichspüler gezogen, die Figuren werden ständig „eins mit der Welt“ (Clippingfehler) und die Bewegungen sind genauso hölzern, wie man es von Seeveteranen erwartet.
Fazit:
Nach 15 Jahren wollte Ascaron noch mal aus dem Vollen ihrer gesammelten Seemannserfahrung schöpfen. Man sieht Tortuga Two Treasures allerdings an, dass zuviel Zeit für das Sammeln von Ideen verschwendet wurde, statt sich auf eine bessere technische Umsetzung zu konzentrieren. Durch den ständigen Wechsel zwischen Storytelling in Videos und kurzen Tastatureinlagen will leider nicht so recht Spieltiefe aufkommen. Das wäre vielleicht noch verschmerzbar, wenn die Landmissionen nicht so fade wären. Einziger Trost ist die See, an der man sich nicht satt sehen kann. Vielleicht sollte Ascaron in den nächsten 15 Jahren lieber Kinofilme machen, denn die Geschichte ist nicht schlechter als von Disneys Fluch der Karibik 2.
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Autor der Besprechung:
Sven W.
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