Enthusia - Professional Racing
Entwickler:
Konami
Publisher:
Konami
Genre:
Sport
USK Freigabe:
Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
55 €
Systeme:
PlayStation 2
Inhalt:
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wäre Enthusia - Professional Racing nichts weiter als der Versuch, Gran Turismo zu klonen: Rund 200 lizenzierte Autos, knapp 30 Strecken und eine als höchst realistisch angepriesene Fahrphysik lassen jeden PS2-Rennfahrer sofort an die langlebige Serie aus dem Hause Polyphony Digital denken. Doch die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Spielen enden früher als erwartet, denn mit Enthusia hat das Entwicklungsteam um Manabu Akita bewusst Wege eingeschlagen, die die GT-Serie niemals gehen würde. Hat man so bei Konami sinnvolle Alternativrouten gefunden, oder hat man sich auf Irrwegen verrannt? Die Antwort lautet: Irgendwie beides.
Meinung:
Beginnen wir beim Herz eines jeden Rennspiels, nämlich bei der Fahrphysik: Die ist in Enthusia tatsächlich sehr anspruchsvoll und recht realistisch, betont aber die seitlichen Lastwechsel und vor allem das Übersteuern etwas zu stark. Gerade wenn man Hecktriebler lenkt, muss man schon sehr behutsam mit Gas und Bremse umgehen, um nicht permanent die Haftgrenze der Hinterreifen zu überschreiten - oder aber viel üben, damit man einen kontrollierten Drift hinbekommt. Relativ unbeschwertes Fahren ist also erst nach langer, schweißtreibender Eingewöhnung möglich. Wer jedoch die Mühe investiert, sich das Beherrschen der Fahrzeuge anzueignen, wird langfristig viel Freude an der anspruchsvollen Steuerung haben. Das im Vorfeld mit viel Spannung erwartete "Visual Gravity System" hilft bei der Wagenkontrolle übrigens weniger als erhofft, denn unter Rennbedingungen hat man kaum die Zeit, auf die komplexe Darstellung von Fahrzeugschwerpunkt und Reifenhaftung zu achten.
Punkte, Punkte, Punkte ... Kern des Spiels ist der Karrieremodus, "Enthusia Life" genannt. Hier geht es darum, als Fahrer in einer Rangliste von Platz 1.000 bis an die Spitze aufzusteigen. Der Rang wird aus der Summe der "Platzierungspunkte" ermittelt, die der Spieler in den besten neun der letzten zwölf Rennen erzielt hat. Wie viele dieser Punkte man bekommt, hängt dabei stark vom eingesetzten Auto ab, denn wenn man mit einem schwachen Fahrzeug gegen überlegene Gegner einen ordentlichen dritten Platz erzielt, bekommt man mehr Punkte als bei einem leichten Sieg im 500PS-Rennwagen über ein Feld von Kleinwagen. Ein Quotensystem zeigt schon im Vorfeld an, welcher der im wöchentlich wechselnden Rennkalender verfügbaren Wettbewerbe am ertragreichsten (und damit auch am schwierigsten) ist. In jedem Rennen gewinnt man obendrein "Skillpunkte", die sowohl dem Fahrzeug als auch dem Fahrer zugute kommen. Das eingesetzte Auto erreicht nach und nach wie in einem Rollenspiel höhere Stufen, die ihm in fester Reihenfolge Verbesserungen in den Bereichen Gewicht, Reifen und Leistung bescheren. Beim Fahrer hingegen erhöht sich durch einen Level-Aufstieg der maximal mögliche Betrag an "Enthu-Punkten". Ja, richtig gelesen, es gibt noch ein drittes Punktsystem ... Die Enthu-Punkte stellen sozusagen die "Fitness" des Fahrers dar. Bei jeder Rempelei mit Gegnern oder Streckenbegrenzungen und sogar beim Fahren abseits der Piste verliert man ein paar davon (was sich übrigens auch negativ auf die Skillpunkte auswirkt), nach jedem Rennen regeneriert sich der Enthu-Balken aber wieder ein wenig. Sind trotzdem alle Punkte verbraucht, muss man eine Rennwoche aussetzen, wodurch wiederum der Platz in der Rangliste gefährdet ist. Im Prinzip ist es natürlich sehr löblich, dass der Spieler so zum sauberen Fahren motiviert werden soll. Das Problem ist aber die Rigorosität, mit der dieses Konzept umgesetzt wird, denn auch wenn einem ein KI-Fahrer ins Heck fährt, der beim Anbremsen vor der Kurve zu optimistisch war, sinkt der Enthu-Pegel - das nervt mitunter ganz gewaltig. Ein echtes Schadensmodell gibt es in Enthusia übrigens nicht.
Lotterie statt Ökonomie Das Freischalten neuer Autos geschieht auf ungewöhnliche Weise, denn unabhängig vom Ausgang eines Rennens findet danach stets eine Art Roulette-Spiel statt, bei dem der Spieler eins der teilnehmenden Fahrzeuge gewinnen kann - oder aber eine Niete zieht. Diese komplette Abkehr von einem Geldsystem zugunsten des Zufallsprinzips macht einen zwiespältigen Eindruck: Einerseits freut man sich natürlich darüber, auch nach einer Niederlage zum Trost die Chance auf einen Neuwagen zu haben. Wenn man andererseits nach einem hart erkämpften Rennsieg leer ausgeht, ist das Wohlwollen wesentlich weniger ausgeprägt, zumal es praktisch unmöglich ist, sich gezielt einen bestimmten Wagen zu erspielen. Zu den weiteren Spielmodi zählt neben Standards wie Zeitrennen, Freien Rennen und Zweispieler-Duellen am Splitscreen auch der "Driving Revolution"-Modus: Hier gilt es, Tore mit der idealen Geschwindigkeit zu durchfahren - Bewertungen im Stil von Dance Dance Revolution machen klar, woher der Name dieser Serie von verkappten Lizenzprüfungen stammt. Wer genügend gute Noten sammelt, schaltet neue Autos für den Einzelrennen-Modus frei, langfristig kann die "Driving Revolution" aber nicht besonders fesseln.
Nur auf den ersten Blick unscheinbar Die Grafik des Spiels macht anfangs einen ordentlichen, aber unspektakulären Eindruck. Zwar sind die Fahrzeugmodelle detailliert und korrekt proportioniert, aber die Lackfarben erscheinen recht matt. Nach längerem Spielen offenbaren sich jedoch die Feinheiten: Lichtreflexe setzen subtile Glanzpunkte, auf nasser Fahrbahn spiegeln sich die Autos, einige der Strecken weisen wunderschöne Umgebungen auf, und bei Nachtfahrten wird die Gegend eindrucksvoll von den Scheinwerfern ausgeleuchtet. Ein besonders hohes Geschwindigkeitsgefühl vermittelt Enthusia (realistischerweise) nicht, schon gar nicht mit den hässlichen, zum Glück aber abschaltbaren Pseudo-Speedlines, die ab etwa 140km/h am Bildschirmrand auftauchen. Besonders lästig ist in diesem Zusammenhang, dass die Geschwindigkeitsanzeige nur etwa alle 0,2 Sekunden aktualisiert wird - in diesen Intervallen kann sich das Tempo ohne weiteres um 20km/h oder mehr ändern. Damit ist es sehr schwierig, vor Kurven auf die ideale Geschwindigkeit herunterzubremsen.
Drifts und Dünen Wie eingangs schon erwähnt, umfasst der Fuhrpark gut 200 Autos, die vom Smart bis zum Rennwagen jenseits der 600PS reichen. Jeder Wagen hat - wie es sich für ein Spiel dieser Art gehört - sein eigenes Fahrverhalten und seinen eigenen, adäquat umgesetzten Motorsound. Offiziell stehen 27 Rennstrecken zur Verfügung; diese Zahl umfasst jedoch auch Nacht- und Regenvarianten vertrauter Pisten. Nur zwei reale Kurse haben es ins Spiel geschafft, nämlich Tsukuba und die Nordschleife, die leider einige Unebenheiten vermissen lässt und sich in Enthusia viel zu gemütlich fährt. Besonders erwähnenswert ist die "Dragon Range", eine Serpentinenstrecke, auf der es sich traumhaft driften lässt. Die im Vorfeld angekündigte "zufallsgenerierte Streckenführung" beim Wüstenrallye-Kurs "Mirage Crossing" beschränkt sich übrigens darauf, dass die Route an einer Stelle mal links, mal rechts an einem Felsbrocken vorbeiführt und die Dünenhöhe variiert.
Fazit:
Enthusia - Professional Racing wagt einen mutigen Spagat zwischen höchst anspruchsvoller Sim-Fahrphysik und wenig ernsthaften Arcade-Spielmechanismen wie der Autoverlosung und dem automatischen Aufleveln der Fahrzeuge. Die Innovationen gehen zwar zum Teil nach hinten los (Stichwort: ungerechte Enthu-Strafen), sorgen aber erfolgreich dafür, dass Enthusia ein völlig anderes Spielerlebnis bietet als sein direkter Konkurrent. Somit hat das Spiel tatsächlich seine volle Existenzberechtigung neben Gran Turismo 4, auch wenn der Newcomer von Konami Gefahr läuft, sich mit seinem Konzept zwischen alle Stühle zu setzen. Es wäre aber sehr schade, wenn Enthusia ein Geheimtipp bleiben würde.
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Autor der Besprechung:
Manuel Tants
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