Brink
Publisher:
Genre:
Action
USK Freigabe:
Freigegeben ab 16 Jahren gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
30 bis 40 €
Systeme:
PC, PlayStation 3, Xbox 360
Testsystem:
Core i3@2,4 GHz; 4 GB RAM; Mobility Radeon HD 5470
Anforderungen:
Core 2 Duo@2,4 GHz; 2 GB RAM; 8 GB HD; Steam
Inhalt:
Ganz oder gar nicht: Wie groß der finanzielle Druck in der ja eigentlich boomenden Szene der Videospiel-Entwickler inzwischen ist, machte Anfang diesen Monats ein Interview mit dem CEO von Splash Damage, Paul Wedgewood, klar. Der stellte ohne Umschweife klar, dass die Philosophie einen Unternehmens, das Videospiele produziert, aber nicht zu den großen Publishern gehört, nur folgendermaßen aussehen kann: Entweder das aktuelle Spiel ist extrem erfolgreich, oder seine Entwickler gehen pleite. So einfach (und traurig) ist das.
Zu bedenken ist dabei weiterhin, dass es sich bei Splash Damage nicht um irgend ein unbeschriebenes Blatt des Szene handelt. Vielmehr kann das aus ehemaligen Quake 3-Moddern bestehende Team im eigenen Portfolio immerhin auf Titel wie Wolfenstein: Enemy Territory und Enemy Territory: Quake Wars verweisen. Aber diese beiden relativ bekannten Titel ändern offensichtlich nichts daran, dass das neueste Projekt von Splash Damage, Brink, schlicht zum Erfolg verdammt ist. Erfüllt das Spiel die dafür nötigen Voraussetzungen?
Meinung:
Angesichts der bisherigen Arbeiten von Splash Damage ist es wenig überraschend, dass es sich auch bei Brink um einen Ego-Shooter handelt, dessen Schwerpunkt der Multiplayer-Modus ist. Um ihn herum gruppieren sich zwar natürlich auch bei Brink Singleplayer-Features wie das "Freie Spiel" und eine Kampagne, deren Umfang macht allerdings nachdrücklich klar, das ihnen nicht die Priorität der Entwickler galt.
Feuchtes Paradies Dabei ist die Szenerie, vor deren Hintergrund sich Brink abspielt, durchaus originell und relativ komplex. In naher Zukunft ist das passiert, was ja irgendwann passieren musste: Die Polkappen sind geschmolzen und haben die Zivilisation mit ins Meer gerissen. Nur gut, dass schon einige Jahre zuvor eine Gruppe von Realisten mit dem Bau der „Ark“ begonnen hatte. Ein kurzes Wort, hinter dem sich in der Welt von Brink aber nicht weniger als die große Hoffnung der Menschheit verbirgt, handelt es sich dabei doch um eine autarke schwimmende Insel, die die Katastrophe natürlich relativ unbeschadet überstanden hat. Energie, Verpflegung, Technologie... - auf der Ark ist für all das gesorgt.
Inselkoller Dumm nur, dass der Überlebenstrieb der weniger glücklichen nach dem Fiasko dazu führte, dass sich eine Unzahl von Flüchtlingen – den eigenen Untergang vor Augen – gen Ark aufmachten, um dort Zuflucht zu finden. Schnell überstieg die Masse der Neuankömmlinge allerdings die Kapazitäten der künstlichen Insel und es kam zu ersten Konflikten. Und nur wenige Jahre später – Krankheiten brachen aus, eine Expedition, die nach Land suchen sollte, kam nicht zurück – sahen die Ark-Bewohner nur eine Möglichkeit, den Fortbestand ihrer Zuflucht zu sichern: Sie bauten eine Mauer.
Auf die Barrikaden Das Resultat ist die endzeitliche Spielwelt, in die sich der Spieler mit dem Start von Brink verfrachtet sieht: Auf der einen Seite der Mauer versucht „Security“ der Ark alles, um die Mauer und damit die bestehende Ordnung vor Ort aufrecht zu erhalten. Auf der anderen Seite steht der Widerstand, der in den Slums der Ark-Peripherie entstanden ist. Das Ziel seiner Kämpfer ist es, die Blockade der Security zu durchbrechen und die Verhältnisse in der letzten (?) Zuflucht der Menschheit neu zu ordnen. Klassenkampf in seiner reinsten Form.
Hübsch zweckmäßig Doch so nostalgisch dieser Begriff heutigen Videospielern vorkommen mag, so aktuell präsentiert sich Brink aus technischer Perspektive. So verwendet die Entwicklung von Splash Damage eine extrem aufgebohrte Version der neuesten Generation der id-Engine, und die weiß absolut zu gefallen. Texturen, Sichtweite, Effekte, Animationen... Alles ist einfach gut umgesetzt und läuft trotzdem ohne große Probleme auf Otto-Normal-Rechnern. Wenn auch natürlich nicht in voller Pracht. Klar, selbst dann kann Brink nicht mit z.B. Crysis 2 mithalten, aber das war eindeutig auch nicht das Ziel der Entwickler. Denn zu viel Optik geht nur auf Kosten von Konzentration und Geschwindigkeit.
Gegensätze ziehen sich an Nicht nur deshalb wird Brink aber nicht jedem Auge gefallen. Denn die Designer von Splash Damage haben Brinks apokalyptische Spielwelt absolut konsequent in Szene gesetzt. Entsprechend gibt es ziemlich genau zwei Baukästen, aus denen sich die Entwickler bei der Umsetzung der Level bedient haben: Der sauberen, technologisch geprägten und dadurch relativ sterilen Umgebung im von der Security kontrollierten Teil der Arc steht die Heimat des Widerstands, die Slums gegenüber. Und letztere sehen auch in Zukunft so aus, wie man Elendsviertel eben kennt. Chaotisch, braun-grau und irgendwie organisch. Dieser überdeutliche Dualismus mag manchem als ideenlos oder unrealistisch erscheinen, setzt die Gegebenheiten der Story aber perfekt um und ist dabei handwerklich nicht zu kritisieren.
Gefühlvoll Das gilt allerdings nicht nur für die Level von Brink, sondern im Besonderen auch für die Zwischensequenzen, die der Spieler z.B. während der Kampagne zu sehen bekommt. Und anders als bei so manch anderem vergleichbaren Shooter stellen diese Videos mehr dar als ein kurzes Grafikfeuerwerk, dass die Wartezeit überbrücken soll. Zwar wird in ihnen keine durchgehende Geschichte erzählt – das passiert eher in den Missionen selber, dafür bringen sie dem Spieler die Welt der Ark auf plastische Weise näher. Hat man die Kampagne – in der sich Security- und Widerstandsmissionen die Waage halten – einmal absolviert, lässt einen der Konflikt auf der Insel nicht mehr wirklich kalt. Im Shooter-Genre eine eher seltene Situation.
Fleiß wird belohnt Solche Gefühle kommen aber natürlich nicht auf, wenn die Protagonisten eines Spiels keine Möglichkeit bieten, sich mit ihnen zu identifizieren. Brink schafft das – zumindest grafisch – wortwörtlich spielend. Denn das Spiel bietet dem Nutzer bei der optischen Gestaltung des eigenen Charakters, der dann in Single- und Multiplayer gleichermaßen Verwendung findet, tatsächlich einige Milliarden an Kombinationen. Die leicht cartoon-artig wirkenden Figuren lassen sich mittels Faktoren wie der Körperform, der Stimme, dem Outfit und den Tätowierungen frei gestalten, so dass wirklich jeder Spieler einen Look finden dürfte, der den eigenen Vorlieben entspricht.
Für alle was dabei Allerdings lassen sich – ganz im Interesse der Langzeitmotivation – natürlich nicht alle optischen Gimmicks sofort nutzen. Nein, Psychopathenmaske und sonstiger Zierrat will erst ganz klassisch freigespielt werden, was allerdings ziemlich fix geht. Das (momentane) Maximallevel 20 erreicht man schon nach recht kurzer Zeit und somit hat man auch Zugriff auf alle Spielinhalte. Wirklichen Einfluss auf das Spielgeschehen hat davon aber tatsächlich nur die Körperform, die die Möglichkeiten schmächtig, normal und kräftig bietet. Je nach Wahl hält man entweder viel aus und kann alle Waffen tragen, kann schneller rennen, weiter springen und besser klettern oder alles gleich gut bzw. schlecht. Und diese Unterschiede machen sich aus einem ganz einfachen Grund auch deutlich bemerkbar.
Casual-Shooter-Gaming Denn Brink bietet – zumindest nach Meinung der Entwickler – eine so noch nie da gewesene, extrem flüssige Steuerung, die bislang unbekannte, völlig freie Bewegungen ermöglichen soll. Wer jetzt allerdings an die aus Simulationen bekannten, grausigen Tastatur-Layouts denkt, kann aufatmen. Brink benötigt nur eine (frei zu belegende) Taste, die bei Benutzung automatisch errechnet, was der Spieler wohl gerade machen will. Wird die in der Nähe eines Hindernisses gedrückt, springt, klettert oder rutscht die Spielfigur, jeweils abhängig von der Spielsituation. Das funktioniert ausgesprochen gut bzw. fehlerlos und ermöglicht tatsächlich eine ziemlich einzigartige Erfahrung beim Spielen von Brink. Allerdings dürfte einigen Shooter-Veteranen übel aufstoßen, dass die ganzen im Spiel zu sehenden, eleganten Moves so nur wenig mit dem Können des Spielers zu tun haben. Aber sei's drum.
Es gibt viel zu sehen Gelegenheit, die Grenzen menschlicher Motorik auszuloten, bietet Brink jedenfalls genügend. Überall stehen Bänke, Barrieren, Fahrzeuge, überall finden sich Vorsprünge, Geländer und Rampen und all diese Elemente lassen sich vom Spieler auch nutzen. Doch das hat natürlich auch eine weniger schöne Seite: Gerade für Anfänger präsentieren sich die Level von Brink als ausgesprochen kompliziert aufgebaut, was eben zum einen an der futuristischen Architektur, zum anderen aber auch an den grenzwertig vielen Gegenständen liegt. Doch alles halb so wild: Nach einigen Erfahrungen mit dem Titel erkennt man, dass die Level des Spiels eigentlich sehr stringent gestaltet sind, wenn man die Details einmal ausblendet.
Klassisch, aber gut Die positive Folge der vielen Deckungsmöglichkeiten wiederum ist, dass Brink sich auch gegen menschliche Gegner – die KI ist nicht schlecht, aber auch nicht mehr – sehr abwechslungsreich und dynamisch spielt. Jedes Level bietet zahlreiche Möglichkeiten für Taktiken aller Art, klassische Hotspots, an denen sich das Spielgeschehen immer konzentriert, sucht man (fast) vergeblich. Dabei folgt das Gameplay grundsätzlich einem klassischen Muster: Jeder Spieler wählt eine der vier Klassen (Soldat, Agent, Techniker und Medic, zwischen denen aber auch innerhalb einer Mission gewechselt werden kann) und versucht mit seinem Team, unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Diese reichen von der Eskorte eines Gefangenen über das Hacken eines Terminals bis zur Sprengung einer Säule. Die Gegner wollen das, erraten, natürlich verhindern.
Die Wahl der Waffen Zur Verfügung steht dabei beiden Seiten ein umfangreiches Waffenarsenal, das natürlich individualisiert werden kann. Pistolen, MPs, MGs, Sturmgewehre, Schrotflinten... Sie alle warten auf jemanden, der sich ihrer annimmt, und das in gleich mehrfacher Ausführung. Jedes Exemplar kann dabei individuelle Werte – z.B. „Schaden“, „Stabilität“ usw. – vorweisen, die sich innerhalb des Spiels auch absolut bemerkbar machen. Auffällig bei dem Schießpulver-Repertoire von Brink ist, dass erstens keine spektakulären SF-Totmacher und zweitens keine wirklichen Scharfschützengewehre zu finden sind. Letzteres mag manchen stören, der Rest freut sich über nicht vorhandene Camper.
Die Segnungen der Zukunft Noch erfreulicher dürfte für alle Spieler aber sein, dass das Interface von Brink extrem durchdacht und sehr schnell zugänglich ist. Missionsziele aufs HUD schalten, Waffen oder Klassen wechseln oder mit den Kameraden kommunizieren: All das funktioniert extrem intuitiv und zuverlässig, so dass eben das Kampfgeschehen im Fokus stehen kann und nichts anderes. Und das lohnt sich auch, bietet Brink doch schnelle, taktisch anspruchsvolle und wohltuend unrealistische – auch gute Spieler werden oft Magazine wechseln müssen – Gefechte. Diese erinnern insgesamt eher an Quake 3 als an CoD und Konsorten, was einem angesichts des Booms (pseudo)realistischer Multiplayer-Shooter ja aber ganz recht sein sollte.
Warum nicht gleich so? Leider ist aber auch ein ambitioniertes Projekt wie Brink offensichtlich nicht davor gefeit, an Kinderkrankheiten zu leiden. So berichten viele Spieler von derben Lags, Soundfehlern und seltenen Grafikfehlern. Splash Damage haben auf diese Thematik aber ausgesprochen schnell reagiert und Abhilfe geschaffen bzw. teilweise versprochen. Schon mit dem ersten Patch, der wenige Tage nach Release des Spiels erschien, präsentiert sich Brink aber deutlich stabiler als zuvor und läuft auf einem absolut akzeptablen Niveau, von kleineren Problemen einmal abgesehen. Schade, dass das nicht von Beginn an so war.
Fazit:
Aber warum mit Vergangenem aufhalten... Über die aktuelle Version von Brink lässt sich nur sagen, dass Splash Damage einen angenehm eigenständigen Multiplayer-Shooter geschaffen haben, der sich schnell und präzise spielen lässt, optisch ansprechend aussieht und eine beeindruckende taktische Tiefe aufweist. Insgesamt bleibt es angesichts eines so fehlerlosen Produktes nur zu hoffen, dass Brink seinen Entwicklern den erhofften Erfolg einbringt. Es wäre schade, würde sich ein offenkundig so talentiertes Studio auflösen müssen.
Dummerweise hängt der Erfolg gerade eines Online-Shooters aber eben nicht nur von der Qualität des Spiels selber ab, sondern fast noch mehr von der kaum vorherzusehenden Dynamik seiner sich bildenden Community. Deren Entwicklung bleibt entsprechend abzuwarten, festzuhalten ist aber definitiv, dass man bei Splash Damage eindeutig ein offenes Ohr für seine Kunden und Brink als Gesamtpaket absolut das Potential zu einem Genre-Klassiker hat.
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Autor der Besprechung:
Max Link
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