Red Faction: Guerilla
Entwickler:
THQ
Publisher:
THQ
Genre:
Action
USK Freigabe:
keine Jugendfreigabe gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
31,99 €
Systeme:
PC, PlayStation 3, Xbox 360
Testsystem:
Intel Dual Core 3 GHz; ATI Radeon HD 4800; 4 GB RAM
Anforderungen:
2 GHz Dual Core Prozessor; 1024 GB RAM; min. NVIDIA GeForce 7600, ATI Radeon X1300; 15 GB Speicher
Inhalt:
Auch wenn es angesichts der Vorurteile, die die Öffentlichkeit gegenüber Shootern hegt und pflegt (immer realistischer, blutiger usw.), etwas überraschend scheint, ist innerhalb des Genres in den letzten Jahren eine eindeutige Ausdifferenzierung zu beobachten. Denn Shooter ist nicht gleich Shooter, jede Neuerscheinung definiert sich eben nicht nur über ihre immer bessere Grafik, ihre immer intelligenteren Gegner. Vielmehr lassen sich bei verschiedenen Spiele-Reihen inzwischen meist auch eindeutige, individuelle Charakteristika feststellen. So setzen z. B. Doom-Titel auf Schock, Call of Duty-Ausgaben auf Pathos und Wolfenstein-Ableger auf Nazi-Trash. Und das mit ökonomischem wie dramaturgischem Erfolg.
Die verschiedenen Teile der Red Faction-Reihe hingegen vereinte immer etwas anderes: eine extrem umfangreiche Physik-Engine, die dem Spieler die nahezu realistische Zerstörung der kompletten Spielwelt ermöglichen sollte. Eine relativ primitive Eigenschaft, die, betrachtet man den Erfolg der Serie über die Jahre, aber auf eine treue Fan-Basis bauen kann. Logisch also, dass auch der neueste Titel der Reihe, Red Faction: Guerilla, vor allem auf dieses Feature setzt.
Meinung:
Allerdings handelt es sich bei dem Spiel natürlich keineswegs um eine reine Physik-Spielerei, weshalb es auch eine überschaubare Story gibt, welche die Zerstörungsorgie untermauert: In einer nahen Zukunft erreicht Alec Mason, ein geborener Einzelgänger, den Planeten Mars. Dort trifft er auf die einzige Person, die ihm etwas bedeutet: seinen Bruder Dan Mason, welcher der „Red Faction“ genannten Untergrundbewegung auf dem Mars angehört. Kurz darauf wird dieser von einer Patrouille der lokalen Sicherheitskräfte, der EDF, grundlos getötet - der wütende Alec entdeckt seine politische Seite: Kampf den Unterdrückern von der EDF! Freiheit für den Mars!
Schritt für Schritt Die EDF will das natürlich verhindern und verteidigt die sechs Sektoren, in die der Mars aufgeteilt ist, mit zunehmend verzweifelter Härte. Erobert (bzw. befreit, je nach Perspektive) werden müssen sie aber dennoch. Dazu muss Alec (leider zu wenig) verschiedene Missionen abschließen, um den Einfluss der EDF in einem Sektor zu senken, bzw. einfach Eigentum bzw. Truppen des Gegners zerstören. Durch diese Aktionen steigt der Einfluss der Red Faction und es kommt, was kommen muss: Die EDF zieht sich zurück.
GTA auf dem Mars Da deren Soldaten aber natürlich besser ausgerüstet und zahlreicher als die Kämpfer der Aufständischen sind, sollte sich der Spieler mit direkten Angriffen auf EDF-Einrichtungen zurück halten. Erst wenn genügend Geld bzw. Schrott gesammelt und in neue Waffen und Panzerung investiert worden ist und Alec von anderen Guerillas unterstützt wird, steht auch einem Angriff auf bedeutsame Ziele nichts mehr im Wege.
Mal was anderes... Bedenkt man einmal, worum es bei Red Faction: Guerilla eigentlich geht bzw. gehen soll, kann man sich ein ungläubiges Schmunzeln eigentlich kaum verkneifen. Denn auch wenn der Farb-Bestandteil des Namens es nicht verbirgt, muss man sich nur einmal vergegenwärtigen, dass das Spiel einen Aufstand unter Bergarbeitern behandelt, um zu erkennen, wie exotisch dieser Story-Ansatz im Vergleich mit dem Weltkriegs-/Spionage-/Action-Einheitsbrei anderer Titel ist. Wartet also ein digitaler Workshop im Klassenkampf auf den Spieler?
Politik für Nichtwähler Ganz so ist es nicht. Denn das politische Potential, dass Red Faction: Guerilla nicht nur dem Titel nach in sich trägt, nutzt das Spiel schlicht und einfach gar nicht. Alec schließt sich dem Aufstand genau aus einem Grund an: Rache. Alles weitere interessiert ihn nicht. Gut, die Etablierung einer neuen politischen Ordnung auf dem Mars lässt sich im Detail sicher schwierig in einen Shooter integrieren, grundsätzlich wäre es aber wünschenswert gewesen, würde Red Faction: Guerilla Aufstand und Anarchie nicht als Synonyme gebrauchen. Angesichts einer verschwindend geringen Wahlbeteiligung ist diese ideologische Unschärfe aber wohl ökonomischen Zwängen geschuldet.
Unmenschlich Betrachtet man die Atmosphäre auf dem Mars in Red Faction: Guerilla, fällt es aber auch schwer, sich auf dem roten Planeten einen emotionalen, verzweifelten und dramatischen Kampf um Gerechtigkeit vorzustellen. Denn leider wirkt der Mars im Spiel genau so, wie er sich aktuell der Menschheit präsentiert: Öde, staubig, leblos. Vereinzelte Fahrzeuge bewegen sich zwischen mehr als überschaubaren Ortschaften aus selten mehr als drei Gebäuden hin und her. Menschen sieht man nur in der Nähe von Gebäuden und auch dort wirken sie so lebendig wie ein Ziegelstein. Glaubt man manchen Experten, gibt das die wahrscheinliche Lebenssituation außerhalb der Erde zwar perfekt wieder, für das Szenario eines Überlebenskampfes ist diese Atmosphäre aber denkbar ungeeignet.
(Zu) stringentes Design Zu erwähnen ist allerdings, dass all das, was sich im Spiel über den Mars bewegt, wirklich gut und realistisch aussieht. Speziell Fahrzeuge und Waffen entsprechen eben nicht überzogenen SciFi-Konventionen, sondern fallen ausgenommen schlicht und zweckmäßig aus. Diesen eigentlich sehr sinnvollen Stil haben die Entwickler hinsichtlich der Gebäude von Red Faction: Guerilla aber leider übertrieben. Denn alles, was sich an menschlichen Gegenständen eben nicht bewegt, sieht unglaublich eintönig aus. Klar, Springbrunnen und bunte Gardinen gehören nicht in eine Bergbau-Siedlung, aber ein wenig emotionale Wärme dürften Arbeiter auch auf dem Mars nicht missen wollen.
Schöne Reduktion Das entsprechend überschaubare Design des Spiels stellt natürlich die Grafik-Engine von Red Faction: Guerilla vor keine großen Hindernisse. Was dann aber zu sehen ist, weiß zu gefallen, und kommt ohne große Ruckler oder ähnlichem aus. Besonders die großen Weiten des Mars und seine schroffe Schönheit fängt das Programm gut ein, es weiß aber auch Explosionen äußerst gut in Szene zu setzen. Angesichts der Inhalte des Spiels verdient die Grafik damit nur ein Urteil: Sehr gut.
Lemming-Taktik Für eine andere, eher technische Facette des Titels gilt das leider weniger: die KI. Dabei verhalten sich sowohl Gegner als auch Verbündete im Gefecht oft sehr geschickt: Sie suchen Deckung, schützen sich gegenseitig und versuchen das Gegenüber auch mal zu umzingeln. Leider verstehen sie alle aber nichts von Taktik oder verfügen auch nicht über den guten, alten gesunden Menschenverstand. Oder, um es deutlicher zu sagen: Noch nie in meiner langen Shooter-Karriere habe ich so oft KI-Kameraden erschossen, die mir in die Schussbahn gelaufen sind. Auf Seiten der (sehr zahlreichen) Gegner nimmt das manches Mal groteske Züge an: Wartet man lange genug in einer Ecke und schießt ab und zu auf die EDF, erscheinen bald Unmengen von Fahrzeugen, die nun damit beginnen, in blinder Wut die eigenen Leute zu rammen bzw. zu überfahren. Manche Übermacht erledigt sich so von allein.
Sandburgenbauen andersherum Kommen wir damit zum eingangs erwähnten, zentralen Bestandteil aller Red Faction-Teile: zur Physik. Wie es sich für einen Titel dieser Serie gehört, weist Red Faction: Guerilla eine Physik-Engine auf, die die Welt so noch nicht gesehen hat. Zwar leistet auch sie sich Patzer (oft reagieren Gegner auf Beschuss sehr, sehr seltsam), sorgt aber gerade bei der Zerstörung von Gebäuden für unglaubliche und eben doch vollkommen realistische Szenen. Gerade mit dem obligatorischen Vorschlaghammer in der Hand macht Red Faction: Guerilla auch ohne ein ausgeprägtes Interesse für Statik aus jedem Shooter-Freak einen Konstrukteur Destrukteur. Grandios.
Fazit:
Auch wenn die Beschränkung auf die eigenen Stärken bzw. neudeutsch „Kernkompetenzen“ gerade angesichts überschaubarer Mittel eine sinnvolle Strategie bei der Entwicklung eines Produktes darstellt, hätte Red Faction: Guerilla ein Blick über den Tellerrand gut getan. Denn auch wenn die Grafik des Spiels stimmt, die Physik-Engine schlicht genial eingesetzt wird und auch vieles andere passt, fehlt in entscheidenden Belangen eben doch einiges zum Spitzentitel. Gerade die maue Story, die öde Atmosphäre der Spielwelt und die geringe Abwechslung innerhalb der Missionen schlagen hier brutal ins Gewicht.
Wirklich schlecht wird das Spiel dadurch natürlich nicht. Gerade für die destruktive Phase in der Mittagspause eignet sich Red Faction: Guerilla perfekt. Nicht nur für Bauingenieure und Statiker. Doch ob sich der Anspruch einer so erfolgreichen Spieleserie wie Red Faction damit begnügen kann, ist zweifelhaft.
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Autor der Besprechung:
Max Link
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