Divinity 2: Ego Draconis
Entwickler:
dtp entertainment
Publisher:
dtp entertainment
Genre:
Adventure
USK Freigabe:
Freigegeben ab 12 Jahren gemäß § 14 JuSchG.
ca. Preis:
40 €
Systeme:
PC, Xbox 360
Testsystem:
Dual Core Duo2 E6600, 2048 Mb RAM, Geforce 512Mb 8800 GTS G92
Anforderungen:
1,8 GHz Dual Core CPU, 1000MB RAM, Grafikkarte mit 256 MDB und Shader Model 3.0
Inhalt:
Ich gebe es voller Scham zu: Divinity 2: Ego Draconis hatte ich nicht wirklich auf dem Zettel. Als absoluter Rollenspieler schielte ich eher auf Biowares Dragon Age oder gar dem zweiten Teil von Mass Effect. Ein Fehler, wie mir schnell bewusst wurde! Mittlerweile zieht es mich beim Schreiben dieser ersten Zeilen eigentlich schon wieder in die Welt von Rivellon mit samt seiner schweißtreibenden Rollenspielherausforderung.
Meinung:
Anders als in anderen zeitgemäßen Rollenspielen wird bei Divinity 2 nicht lange mit der Charaktererschaffung gefackelt. Ein paar Gesichter, Frisuren, sowie die Geschlechterwahl und schon gehts nach Rivellon zu den Drachentötern. Für den PC-Rollenspieler ist diese Magerkost an Charaktererschaffung äußerst unbefriedigend. Und auch die ersten Schritte des Spiels, die gleichzeitig als Tutorial dienen, sind eher bieder präsentiert. Die unscharfe Grafik, die Dialoge mit den NPCs - einschließlich eher schlechten Animationen - und das simple Kampfsystem; irgendwie mag das noch nicht so recht begeistern. Größter Fehler: Jetzt schon den Zweihänder ins Korn zu werfen! Divinity 2 ist ein Rohdiamant tief unter der Erde. Graben, schwitzen, weiter graben! Weil...
Der Drachenritter ... sich die Story mit jeder gespielten Stunde steigert. Was als einfacher Ausflug als Drachentöter beginnt, schwingt sich auf in einen epischen Kampf gegen das Böse, bei dem die ein oder andere Überraschung auf den Spieler wartet. Dabei wird die Geschichte von wirklich exzellenten Synchronsprechern voran getragen. Egal ob einfacher NPC oder wichtiger Questgeber, das Ganze wurde äußerst stimmig für die Ohren umgesetzt. Da kann sich selbst ein Oblivion eine große Scheibe abschneiden! Besonders schön ist, dass hier und da auch immer wieder für Schmunzler gesorgt wird, weil die eine oder andere Quest sich selbst nicht zu ernst nimmt. So wird man als Spieler regelrecht in die stimmige Welt hineingezogen. Doch nicht nur die Quests einschließlich der Story üben einen solchen Sog aus.
Hammerhart Das Kampfsystem bleibt - wie eingangs schon erwähnt - recht simpel, entfaltet dabei aber trotzdem seinen eigenen, äußerst fordernden und dynamischen Charme. Mit der linken Maustaste verwendet man seine Waffe im Nahkampf, oder schießt - falls ausgerüstet - mit dem Bogen auf Gegner. Zusätzlich lassen sich weitere freischaltbare Fähigkeiten über die Zifferntasten aktivieren. Hört sich monoton an, ist es aber nicht. Die Fingerakrobatik entsteht dadurch, dass die Gegner so gut wie immer in der Überzahl und dabei meist ziemlich stark sind, und so die eigene Lebensleiste schneller gen Null sinkt als einem lieb ist. So muss man immer wieder zurückweichen, zur Seite rollen, weg springen oder in die Deckung hasten.
Wer denkt, er hätte mit Divinity 2 einen einfachen One-Klick-Smasher, der irrt gewaltig! Ich bin in den letzten Jahren in keinem Spiel häufiger gestorben als in Divinity 2: Ego Draconis. Frust garantiert? Ja! Einstellbarer Schwierigkeitsgrad? Brauchen Drachenritter nicht! Schwer? Erst recht, aber eben auch unheimlich befriedigend, weil fordernd.
Questvielfalt Fordernd ist aber nicht nur der Kampf. Wo andere Hersteller selbst in Rollenspielen dem Spieler immer mehr aus der Hand nehmen, z.B. mit Questmapanzeigen arbeiten, und Rätsel so gestalten, dass man selbst im Halbschlaf nur müde drüber lächeln kann, präsentiert sich Divinity 2 erfrischend Old-School-lastig. Das Questsystem ist eine gelungene Mischung aus Erforschung, Rätsel und Kampfelementen und in allen Belangen meist anspruchsvoll. Für viele Aufgaben gibt es alternative Lösungswege und meist braucht man zusätzlich eine Portion Geduld. Denn Lösungen gibt es selten auf dem Präsentierteller: Goblins wollen erschlagen werden, Bücher müssen nach Informationen durchforstet und Dialoge mit NPCs geführt werden. Stellenweise gibt es sogar kleinere Jump'n Run-Einlagen. Rollenspieler, die den schnellen Erfolg wollen, sind somit bei Divinity 2: Ego Draconis an der völlig falschen Adresse.
Die Questbelohnungen sind dabei die typische süchtig machende Mischung aus Erfahrungspunkten und wertvollen Gegenständen. Man will noch diese eine Quest abschließen, dann noch den Zweihänder vom Bossmob erbeuten, und ehe man sich versieht, entdeckt man nebenbei eine tiefe Höhle, die nun auch noch erkundet werden will. Divinity 2: Ego Draconis ist ein absoluter Zeitfresser!
Absolute Freiheit Wer fleißig Erfahrungspunkte sammelt, wird mit einem Stufenaufstieg belohnt. Pro Stufe erhält man fünf Punkte, um seine vier Attribute zu erhöhen, die im klassischen Sinne den Helden verbessern. So erhöht Stärke den Nahkampfschaden oder Intelligenz den Manavorrat. Moderner zeigt sich Divinity 2 allerdings im Fähigkeitensystem. Auf den ersten Blick erinnern die vier Talentbäume für den Bereich Nahkampf, Fernkampf, Magie und Heilung an Genregrößen wie Diablo oder Titan Quest.
Auf den zweiten Blick offenbart sich aber durch das Fehlen der Klassenbestimmung eine enorme Freiheit in der Gestaltung des Helden. So kann man seine erworbenen Fähigkeitspunkte munter auf alle Bäume verteilen und so einen Feuerbälle werfenden Krieger, oder einen die Toten beschwörenden Jäger kreieren. Diese Freiheit ist einer der ganz großen Stärken des Spiels. Man will seinen eigens geformten Helden immer weiter verbessern, sucht auf der Jagd nach Erfahrungspunkten fieberhaft nach Nebenmissionen und wird so eigentlich wesentlich tiefer in die große frei begehbare Welt hineingezogen, als es z.B. bei Oblivion der Fall war.
Drache in der Luft Wie der der Name Divinity 2: Ego Draconis vermuten lässt, erlangt man im späteren Spielverlauf die Fähigkeit sich in einen Drachen zu verwandeln. Leider spielt sich das Ganze nur halb so gut, wie es sich als Drache anfühlen sollte. Das liegt unter anderem auch am Problem des Balancing. Als Drache wäre jeglicher Bodenwiderstand so gut wie chancenlos und so würde man sich als Spieler wohl in Dracoform unaufhaltsam durch das Spiel pflügen. Damit genau das nicht passiert, wird die Bodenwelt mit all ihren Facetten wie Gegner oder NPCs ausgeblendet. Ein harter Bruch in Sachen Atmosphäre und Logik, die der Drachenform den Spaß rauben. Stattdessen gibt es eher lahme Luftkämpfe, die nicht im Ansatz an den Spaß am Boden herankommen.
Grafik Die Grafik kann selbst auf den höchsten Einstellungen nicht mit aktuellen Spielen mithalten. So werden reine Grafikfetischisten wohl die Nase rümpfen. Rollenspieler hingegen finden Gefallen an der stimmigen und liebevoll gestalteten Welt, die nur in der Weitsicht ein wenig ihren Glanz verliert. Auch die Abwechslung kommt nicht zu kurz. So bereist man dunkle Höhlensysteme, karge Landschaften und idyllische Wälder. Einen richtigen Patzer ist den belgischen Entwicklern allerdings bei den Animationen unterlaufen. Figuren bewegen sich teilweise stockend, mit fließendem Wasser und zertrümmerten Kisten gibt es ebenfalls Probleme. Ein Fix per Patch ist schon angekündigt, allerdings verwundert es schon, dass dieser Fehler es in die Releaseversion geschafft hat.
Fazit:
Divinity 2: Ego Draconis - ich kriege nicht genug von dir! Diese Mischung aus Diablo (in Form von Charakterausbau und Items) und spannender Geschichte fesselt einfach ungemein! Über kleinere grafische Schwächen kann man aufgrund der stimmigen und liebevoll gestalteten Welt hinwegsehen. Das ganz besondere aber ist ein schon fast verloren geglaubtes Gefühl in Zeiten der Casual Games: Anspruch! Man wird an alte Rollenspielperlen wie Gothic erinnert, wenn man durch Rivellon wandert. Es wird einem nichts geschenkt, Hilfe darf man schon gar nicht erwarten! Selbst ist der Drachenritter und so erforscht, knobelt und kämpft man sich langsam aber stetig in den Heldenolymp - immer begleitet von einer hervorragenden deutschen Synchronisation. Divinity 2: Ego Draconis ist somit für hartgesottene Rollenspieler, die sich die Wartezeit auf Dragon Age verkürzen wollen, ein absoluter Pflichtkauf!
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Autor der Besprechung:
Christian Jacob
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