Genau dieser Erfahrung können sich jetzt auch deutsche PC-Spieler, gestählt durch unzählige Stunden Spielzeit gängiger Fußballmanager, einmal stellen. Denn mit MLB Front Office Manager will Take 2 nun auch deutsche Spieler für die Hintergründe einer in Europa chronisch unterrepräsentierten Ballsportart begeistern: Baseball. Ob der Sprung von ganz oben nach ganz unten – zumindest was die Verbreitung der jeweiligen Disziplinen angeht – nicht doch zu groß für deutsche Käufer ist?

Meinung:
Das größte und grundlegende Problem, das sich einem Baseball-Laien bei seinem ersten Kontakt mit MLB Front Office Manager in den Weg stellt, ist der Sport selbst. Auch in Zeiten globalen Fernsehens, wo jedes Sportereignis überall auf der Welt zu empfangen ist, verstehen nur wenige Menschen außerhalb der USA die Regeln von Baseball so ganz. Dabei sind die grundsätzlich gar nicht so kompliziert: Zwei Mannschaften treten in mindestens neun „Innings“ gegeneinander an und sammeln jeweils Punkte. Entscheidend sind dafür die jeweiligen Duelle zwischen dem Werfer („Pitcher“) und dem Schlagmann („Batter“) der beiden Mannschaften. Ersterer will dem anderen einen möglichst schwer zu treffenden Ball servieren, den der Batter entweder gar nicht oder so schlecht trifft, dass er praktisch sofort gefangen wird. Der Schlagmann hingegen will den Ball schlicht so weit wegschlagen, dass er und seine Teamkameraden einen durch bestimmte Felder („Bases“) markierten Parcours möglichst weit absolvieren können. Fertig.

Baseball for Dummies
Bevor jetzt die wenigen Baseball-Fachleute da draußen aufschreien: Natürlich gibt es noch weitere Regeln, die aber sehr weit ins Detail gehen und deshalb hier nicht dargestellt werden sollen. De facto sind sie für das Verständnis von MLB Front Office Manager aber auch nicht groß von Belang, denn die Aufgabe eines solchen Managers, im Folgenden GM genannt, besteht eben nur im Zusammenstellen einer möglichst guten Mannschaft. Warum einzelne Spieler welche Position wie gut erfüllen, ist dem GM eigentlich egal. Hauptsache, das Verhältnis von Preis und an bestimmten Zahlen ablesbaren Talenten stimmt.

Legionäre
Diesen eher trockenen Berufsalltag haben Baseball-Manager natürlich mit ihren Kollegen in anderen Sportarten gemein. Glaubt man aber MLB Front Office Manager, sieht die Arbeit eines GMs besonders trocken, um nicht zu sagen langweilig aus. Das liegt zum Einen daran, dass sein Einfluss kaum über die eigentliche Zusammenstellung von Spielern hinausreicht. Marketing, Stadienverwaltung oder ähnliches fallen nicht in den Aufgabenbereich des GMs und entsprechend beschäftigt sich der Spieler im Großteil seiner Spielzeit mit der Verpflichtung neuer Atheleten. Wer's mag...

Zum Weinen
Zum Anderen werden die Stationen dieses wenig aufregenden Tagesverlaufs dann auch technisch erbärmlich präsentiert: Sound und Grafik sorgen selbst in einem Genre, das traditionell eher auf Statistiken und andere Zahlenspielereien setzt, für den ein oder anderen Schreckmoment. Besonders negativ fällt hierbei die Darstellung der Matches auf, die den Charme und die Atmosphäre eines dilettantischen Stummfilms entwickeln. Wer Baseball nicht aus dem Fernsehen kennt, wird sich beim Anblick dieser Szenen fragen, was das Ganze mit Sport zu tun hat.

Warum einfach...
So sehr man sich nach seinen ersten Spielen wieder auf den heimeligen Schreibtisch freut, und wenn der noch so grau ist, so schnell stellt sich auch wieder die Ernüchterung ein. Denn hat man erst einige Stunden mit MLB Front Office Manager verbracht, erkennt man, wie ausgesprochen schlecht das Interface des Spiels durchdacht ist. Jede Aktion erfordert, bevor man überhaupt irgendetwas tun kann, mehrere überflüssige Klicks, um sich durch verschiedene Menüs zu navigieren. Im Interesse der Familien von realen GMs hoffe ich, dass deren Arbeitsabläufe nicht dermaßen umständlich ausfallen, wie sie es in MLB Front Office Manager tun.

Billy the Nervensäge
Eine große Hilfe ist dabei auch der „Mentor“ Billy Beane nicht. Der ehemalige Baseball-Spieler und aktuelle GM der Oakland Athletics gibt zwar zu fast jeder Gelegenheit einen Kommentar ab, nützlich ist das aber selten - selbst für Baseball-Laien. Entsprechend schnell verflucht der Spieler dieses eigentlich sinnvolle Feature sowie den Namen des Mentors. Schade, denn der sieht auf Fotos eigentlich ganz sympathisch aus.

Gruß an die Lehman Brothers
Wer dachte, damit alles Unangenehme an MLB Front Office Manager überstanden zu haben, auf den wartet der dickste Brocken noch: Die KI. Die geht mit ihrem Budget nämlich ähnlich vorsichtig um, wie es Investmentbanker offenbar lange getan haben, und raubt dem Spielermarkt in MLB Front Office Manager jeden Anschein von Realismus. Entsprechend gestaltet sich der Kauf und Verkauf von Spielern leider etwas undurchsichtig, was strategische Planungen – und die machen ja einen Großteil des Reizes von Manager-Simulationen aus – ziemlich unmöglich.

Der Weg zum Glück
Doch Rettung naht. Denn mit einem umfangreichen Online-Modus bietet MLB Front Office Manager allen KI-Gepeinigten die Möglichkeit, sich mit anspruchsvolleren Gegnern zu messen. Dazu stehen neben den realen Ligen auch sogenannte Fantasy-Ligen zur Verfügung, deren Regularien die beteiligten Spieler individuell anpassen können. Das macht deutlich mehr Spaß als der Offline-Modus, weswegen alle Spieler, die die ersten Schritte als GM schon hinter sich haben, ihr Glück im Internet versuchen sollte.

Fazit:
Selbst für Menschen, die sich sehr für Sport- bzw. Sportmanagment interessieren, dürfte MLB Front Office Manager keinen großen Reiz entwickeln. Zu erbärmlich präsentiert das Spiel das Faszinierende an der simulierten Sportart, zu eingeschränkt und kompliziert sind die Aktionsmöglichkeiten des Spielers. Ergo wird auch MLB Front Office Manager wenig daran ändern, dass der Großteil der (Freizeit-)Manager diesseits des Großen Teichs Baseball nur als Kuriosum betrachten werden. Dabei hätte Baseball, allen Vorurteilen zum Trotz, eigentlich etwas Respekt  verdient.